The Same Procedure as Last Year?

In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 21. September 2021 gab es trotz der überschaubaren Tagesordnung und der kurzen Dauer der Veranstaltung einige Wortmeldungen, die ohne Kontext vielleicht nicht die angemessene Beachtung finden. Als mehr oder minder beiläufig gemachte Bemerkungen sollen sie in diesem Beitrag den Stellenwert erhalten, den sie aus Sicht der Redaktion im öffentlichen und politischen Diskurs verdienen.

Hierzu gehört der Vorschlag der Verwaltung, den Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2022 wieder erst im Dezember 2021 in den Gemeinderat einzubringen. Im aktuellen Sitzungskalender ist am 14. Dezember eine dafür geeignete Ratssitzung geplant. Als Begründung wurden Argumente wie das Hochwasser, noch nicht vorliegende Informationen des Kreises, oder der Krankenstand im Rathaus vorgebracht. Letztes Jahr wurde der Haushaltsplanentwurf der Gemeinde Odenthal am 15. Dezember 2020 von Bürgermeister und Kämmerer eingebracht, ein gesetzlich beschriebener Schritt, der die Haushaltsplanung für ein Haushaltsjahr einleitet, die mit der amtlichen Bekanntmachung der später vom Gemeinderat beschlossenen Haushaltssatzung endet.

Ein Haushaltsjahr beginnt allerdings gnadenlos mit dem Kalenderjahr am 1. Januar. Deshalb sieht der Gesetzgeber in der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GO NRW) auch vor, dass die Kommunen für ein rechtzeitiges Inkrafttreten der Haushaltssatzung vor Beginn des entsprechenden Haushaltsjahres die Satzung bis spätestens Ende November beschlossen haben, und der zuständigen Aufsichtsbehörde anzeigen. Diese hat dann noch 30 Tage Zeit, gegebenenfalls Einwände zu erheben. Nach Ende der Frist kann die Haushaltssatzung in der Kommune noch ortsüblich bekannt gemacht werden, und so in Kraft treten, bevor das Haushaltsjahr beginnt.

Letztes Jahr wurde demnach dieser Prozess in Odenthal erst begonnen, nachdem etwa zwei Wochen zuvor bereits der Gemeinderat den Haushalt schon hätte beschließen und anzeigen sollen. Dieser Beschluss folgte jedoch tatsächlich erst am 23. März 2021, die beschlossene Satzung wurde der Kommunalaufsicht des Kreises Ende April 2021 angezeigt, und die Satzung trat mit ihrer amtlichen Bekanntmachung im Gemeindeamtsblatt letzten Endes erst am 1. Juli 2021 in Kraft. Auch wenn der Gesetzgeber aufgrund der Pandemie die Frist zur Anzeige der vom Gemeinderat beschlossenen Haushaltssatzung einmalig auf den 1. März 2021 verlängert hatte, wurde selbst dieser spätere Zeitpunkt von Odenthal noch um fast zwei Monate überschritten.

Neben den juristischen Aspekten haben die Verzögerungen auch praktische Folgen bei der Haushaltsführung, die ebenfalls in der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen rechtlich verbindlich beschrieben sind. Eine Kommune ohne eine zu Beginn des Haushaltsjahres in Kraft gesetzte Haushaltssatzung muss ihren Haushalt nach den Vorgaben des §82 GO NRW vorläufig führen. Sie darf zum Beispiel nur „Aufwendungen entstehen lassen und Auszahlungen leisten, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind“. Das schränkte in diesem Jahr die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen rechtlich immerhin in den ersten 6 Monaten auf die gesetzlich erlaubten Ausgaben ein.

Die gesetzlichen Vorgaben scheinen für Gemeinderat und Verwaltung keine so große Verbindlichkeit zu haben, dass nach den Erkenntnissen des Vorjahres zumindest auch nur der Versuch unternommen würde, die Fristen der GO NRW für die Haushaltsplanung 2022 einzuhalten. Im Gegenteil: Mit der Termin-Planung des Haupt- und Finanzausschusses wäre die vorläufige Haushaltsführung im nächsten Jahr im Grunde jetzt schon beschlossen. Nachdem in der Sitzung die Einbringung des Haushaltsplanentwurfs in den Gemeinderat einen Tag früher als letztes Jahr vorgesehen wurde, ist es fast konsequent, dass für den Beschluss der Haushaltssatzung der 22. März 2022 ins Auge gefasst wurde, also ebenfalls einen Tag früher als 2021. Wenn die Anzeige und die amtliche Bekanntmachung zeitlich genauso ähnlich folgen, wird Odenthal auch nächstes Jahr mutmaßlich wieder ein halbes Jahr ohne gültige Haushaltssatzung sein. The same procedure as last year also. Die Kommunalaufsichten des Rheinisch-Bergischen Kreises und der Bezirksregierung Köln zeigten sich auf konkrete Nachfrage zuletzt wenig ehrgeizig, Aufsicht über die fristgerechte Haushaltsplanung der Gemeinde Odenthal für 2021 zu führen. Dann wird das auch für 2022 wohl in Ordnung sein, auch wenn es im Gesetz anders steht. Die gesetzlichen Vorgaben allein scheinen jedenfalls nicht Grund genug zu sein, sich in Odenthal an diese Regeln zu halten.

Eine andere Facette des Haushaltsthemas nahm in der Sitzung des Hauptausschusses losgelöst von der Regeltreue ebenfalls eine interessante Wendung: In der angeregten bis aufgeregten Debatte über aktuelle Sparmaßnahmen gab die Fraktionsvorsitzende der CDU zu bedenken, dass nicht nur die Ausgaben zu betrachten seien, sondern auch die Einnahmen der Gemeinde. Hierbei käme es vor allem darauf an, einkommensstarke, junge Familien nach Odenthal zu holen.

Als Kontext zu diesem Hinweis auf die Höhe des Einkommens ist der Umstand erwähnenswert, dass Gemeinden einen Anteil von 15 Prozent an der Lohn- und an der veranlagten Einkommensteuer ihrer Bürger*innen erhalten. Hinzu kommen 12 Prozent des Aufkommens an Steuern für bestimmte Kapitalerträge. Gleich präventiv beschwichtigend räumte die CDU beim Thema Zuzug ein, die zusätzliche Bevölkerung könne ja auch in den Immobilienbestand einziehen.

Sachlich unbestreitbar ist der positive finanzielle Aspekt für den Gemeindehaushalt, wenn möglichst Gutverdienende und Vermögende den möglichst größten Bevölkerungsanteil stellen. Diese Logik ist zumindest eine plausible Erklärung dafür, dass alle Parteien bezahlbaren Wohnraum in ihren Kommunalwahl-Programmen hatten, einige davon allerdings keine konkreten Vorstöße hierfür unternehmen, oder auch nur erklären, was bezahlbarer Wohnraum aus ihrer Sicht überhaupt ist. In einem Beitrag vom 15. April 2021 hatte das Medienprojekt Odenthal zum Beweis der Möglichkeit einer konkreten Definition ein Modell zur Berechnung bezahlbaren Wohnraums zur Diskussion gestellt.

Der Strategie der gezielten Ansiedlung einkommensstarker und vermögender Neubürger*innen steht ein für Durchschnittsverdiener bezahlbarer Wohnraum letzten Endes sogar konkret entgegen, da der Anteil der Gemeinden an überdurchschnittlich hohen Einkommen auch höher ist, als der an nur durchschnittlichen. Vernünftige Quadratmeterpreise sind dafür kontraproduktiv, und locken die in diesem Sinne falsche Zielgruppe an.

Wir werden sehen, wie das Durchschnittseinkommen der Odenthaler*innen sich nach dem Bezug der neu gebauten Eigentumswohnungen auf der Ponywiese entwickeln wird. In einer Studie von IT.NRW auf der Basis von Zahlen aus dem Jahr 2017 landete Odenthal von 396 NRW-Städten und Gemeinden jüngst schon auf Platz 3 mit 59.968 Euro durchschnittlichem Brutto-Jahreseinkommen. Das bedeutet allerdings auch, dass Odenthaler Einwohner*innen der Gemeinde im Vergleich zu anderen mehr anteilige Einkommensteuer, und damit mehr Einnahmen bescheren dürften. Gleiche Anzahl einkommensteuerpflichtiger Einwohner, höhere Einkünfte. Das sollte als differenzierte Rechnung einer pauschalen Zuzugszielsetzung einmal gegenübergestellt und dann objektiv analysiert werden. Es wäre außerdem ehrlicher, sich unter dieser Prämisse dann auch konsequent von bezahlbarem Wohnraum als politischem Ziel zu distanzieren, und es nicht in den eigenen Parteiprogrammen nur wirkungslos und ohne echten Zielerreichungsanspruch „mitzuschleppen“, nur weil es gesellschaftlich erwartet wird.

Von der Einwohnerzahl selbst wusste die CDU-Fraktionsvorsitzende genauso pauschal zu beklagen, dass alle Kommunen Zuwächse zu verzeichnen hätten, nur Odenthal nicht. Die Quelle für diese Behauptung ist nicht bekannt, die offizielle kann es jedenfalls nicht sein. Als solche muss im Rheinisch-Bergischen Kreis wohl wiederum IT.NRW gelten. In dessen Statistik zur „Bevölkerungsfortschreibung“ ist ein Schlusslicht Odenthal jedoch nicht zu finden.

Im Gegenteil: Im Vergleich der letzten veröffentlichten Zahlen mit Stand 31.12.2020 mit dem vom 31.12.2019, hat sich die Einwohnerzahl des gesamten Rheinisch-Bergischen Kreises gerade einmal um 0,001 Prozent erhöht. Keine der 8 Städte und Gemeinden hat überhaupt eine Veränderung von mehr als 1 Prozent plus oder minus. In 3 dieser Kommunen ist die Einwohnerzahl gesunken. Odenthal gehört nicht dazu, sondern ist bei den 5 Kommunen mit gestiegener Einwohnerzahl im Vergleich zum Vorjahr auf Platz 3 (plus 0,428 Prozent), hinter Rösrath (plus 0,447 Prozent), und „Zuzugs“-Spitzenreiter Burscheid (plus 0,987).

In dieser Gegendarstellung kann die Legende vom schwindenden Odenthal wohl als weiterer Versuch der CDU gelten, Handlungs- und Verhandlungsdruck auf die „Sparer*innen“ in anderen politischen Lagern aufrecht zu erhalten, um sie für Investitionen und Neubauvorhaben bei Bedarf erreichen zu können. Deren Notwendigkeit wird jedoch nicht plausibler, wenn sie mit widerlegbaren Zahlen oder schlimmstenfalls einfachen Behauptungen begründet werden.

„The same procedure as every year?“, möchte man diesbezüglich die Fortsetzung des bekannten Dialogs aus dem Sketch „Dinner for One“ als Frage formulieren. Bei der letzten Haushaltseinbringung in besagter Ratssitzung am 15. Dezember 2020 sprach beispielsweise Bürgermeister Robert Lennerts noch davon, „dass die Gemeinde Odenthal essentiell auf die Abwicklung und Umsetzung des Projekts Dhünner Wiese angewiesen ist“, und appellierte an den anwesenden Gemeinderat: „Verhindern Sie einen derzeitig noch nicht absehbaren finanziellen Schaden für unsere Gemeinde bei weiterer Blockade oder gar angedachter Rückabwicklung“. Der Kämmerer brachte es in seiner Rede auf den Punkt: „Die Erstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes kann nur durch den Einsatz der Mittel aus einem Grundstücksverkauf vermieden werden“. Im Nachhinein muss die Wahrscheinlichkeit dieser dramatischen Vorhersagen doch stark bezweifelt werden. CDU und Bündnis 90/Die Grünen erachteten es angesichts eines vergleichbar großen Lochs in der Gemeinde-Kasse, das später durch einen Fehler in der Verwaltung entstanden war, nicht mehr für notwendig, deswegen den Haushalt neu zu beraten. Das Medienprojekt Odenthal berichtete darüber am 1. Juli 2021.

An dieser Stelle ein anderer Hinweis an die Odenthaler*innen für die bevorstehende Haushaltsplanung: Der erste Haushaltsplanentwurf wird nach seiner Einbringung offengelegt. Die Bürger*innen haben dann binnen einer bekanntgemachten Frist von 14 Tagen Gelegenheit, Einwände gegen den Entwurf zu erheben. Damit ist nach derzeitigem Stand Mitte bis Ende Dezember 2021 zu rechnen. Diese Art der Bürgerbeteiligung ist eine Chance, die der Gesetzgeber in der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen einräumt. Allerdings litt im letzten Jahr diese Gelegenheit unter einem offengelegten Entwurf, der selbst für die Politiker*innen zu zahlreichen Nachfragen führte. Zudem enthielt er im Finanzplan den zuvor genannten Fehler von um zirka 2,5 Millionen Euro zu hoch angesetzten Einnahmen. Oder er sah etwa bei der Kreditaufnahme für Investitionen einen Betrag mit 214.065 Euro vor, aus dem im späteren Satzungsbeschluss 2.427.635 Euro geworden waren, was einer Abweichung von etwa 1.134 Prozent entspricht. Bürger*innen an einem in Teilen so weit abweichenden, oder fehlerhaften Haushaltsplanentwurf zu beteiligen, macht keinen Sinn.

Den Odenthaler*innen ist daher zu wünschen, dass der Haushalt 2022 von den Verantwortlichen weniger „zielorientiert“, und mit weniger selektiver Wahrnehmung der Fakten und der Perspektiven geplant, debattiert und beschlossen wird. Es ist außerdem wünschenswert, dass ihre gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Beteiligung durch einen handwerklich und inhaltlich weit genug ausgereift eingebrachten Entwurf von Kämmerer und Bürgermeister respektiert und gefördert wird.