Wo ist der Klimawandelbericht?

In der Oktober-Sitzung des Jahres 2019 fasste der Gemeinderat einstimmig bei zwei Enthaltungen der CDU den Beschluss, dass die „Gemeinde Odenthal umfassend über den Klimawandel, Ursachen und Auswirkungen sowie über Maßnahmen, welche gegen den Klimawandel ergriffen werden, informieren“ werde. Im weiteren Wortlaut des Beschlusses forderte der „Rat der Gemeinde Odenthal […] den Bürgermeister auf, dem Rat und der Öffentlichkeit zweimal im Jahr über Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen Bericht zu erstatten“. Der Bürgermeister gab seine Stimme ebenfalls dafür ab, und beauftragte sich quasi selbst gleich mit.

Das Jahr 2020 verging dann ohne jede Berichterstattung, die von der Öffentlichkeit als Umsetzung dieses Ratsbeschlusses hätte gedeutet werden können. Die Tagesordnungen der Ratssitzungen in diesem Jahr weisen ebenfalls keine eindeutigen Punkte hierzu auf. Zwar erscheint der Klimawandel in verschiedenen Ausschüssen immer wieder einmal auf der Tagesordnung. Als Querschnittthema verteilen sich in Odenthal Klimaschutz und Klimawandel zuständigkeitshalber mittlerweile über mehrere Gremien.

Der von der Redaktion von Medienprojekt Odenthal der guten Form halber unternommene Versuch, sich das über längere Zeiträume und zahlreiche Gremien verteilte Thema zu etwas wie einem Überblick wieder zusammenzusetzen, ist den interessierten Bürger*innen wirklich nicht zu empfehlen. Der Aufwand steht in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis. Auch mit Ergänzungen des Stückwerks um einige bisher erschienene Veröffentlichungen in der Tagespresse oder aus dem Gemeinde-Amtsblatt „Das Rathaus“ lässt sich nichts von eigeninitiativen Odenthaler*innen selbst zusammensetzen, was in die Nähe eines Ersatzes für einen qualifizierten Bericht kommt.

Dass die zweifellos interessierte Öffentlichkeit sich den verbindlich in Aussicht gestellten Bericht aus den zahlreichen Niederschriften verschiedener Gremien über längere Zeiträume selbst zusammensucht, stellt ohnehin wohl kaum die Umsetzung des Ratsbeschlusses vom 8. Oktober 2019 dar. Der Versuch wird außerdem dadurch erschwert, dass „die Niederschriften […] in der Regel als Beschlussprotokolle zu erstellen [sind], d.h., der Inhalt der Niederschrift hat sich grundsätzlich auf die Wiedergabe der gefassten Beschlüsse zu beschränken, es sei denn, dass eine weitergehende Protokollierung notwendig ist oder ausdrücklich beschlossen wird. Bei Sachstandsberichten sind die wesentlichen Fakten in die Niederschrift aufzunehmen“. So ist es in der Geschäftsordnung der Gemeinde geregelt. Wer wissen will, was in Odenthal zum Thema Klima genau läuft, müsste derzeit also alle Sitzungen sämtlicher Gremien selbst besuchen, auf deren Tagesordnung etwas dazu auftaucht. Positiv vermutet, wollte das der Gemeinderat mit seinem einstimmigen Beschluss im Herbst 2019 seinen Bürger*innen nicht zumuten, und hat statt dessen den Bürgermeister persönlich durch den Wortlaut des Beschlusses zur strukturierten Berichterstattung aufgefordert.

„Gem. § 62 Abs. 2 Satz 2 der Gemeindeordnung NRW (GO NW) ist der Bürgermeister verpflichtet, die Beschlüsse des Rates auszuführen“, erläuterte Bürgermeister Robert Lennerts zuletzt noch in der Beschlussvorlage 6/0571/11 für die Sitzung des Ausschusses Planen und Bauen vom 3.12.2020 selbst. Da ging es allerdings um die Bebauung der Dhünner Wiese (Ponywiese), für die aus Sicht des Bürgermeisters Eile bei der Ausführung von Ratsbeschlüssen geboten war.

Den Klimaschutz halten viele Bürger*innen ebenfalls für ein wichtiges Thema. Eine ähnlich ambitionierte Umsetzung diesbezüglicher Beschlüsse wäre wünschenswert. Gefahr für die Gemeinde, ihre Einwohner und den Rest der Welt ist hier auch im Verzuge. Der Beschluss zur Berichterstattung darüber wurde regelkonform gefasst. Er wurde innerhalb der Frist vom Bürgermeister nicht beanstandet. Er ist nicht aufgehoben. Dennoch wird er nicht umgesetzt, obwohl „§ 62 Abs. 2 Satz 2 der Gemeindeordnung NRW (GO NW)“ für ihn genauso gelten dürfte. Es gibt kein Opportunitätsprinzip, nach dem ein Bürgermeister gemäß einer selbst diagnostizierten Relevanz entscheiden könnte, welche Ratsbeschlüsse vom §62 Gemeindeordnung NRW (GO NW) erfasst sind und welche nicht.

Sich nach mittlerweile beinahe eineinhalb Jahren dann doch einmal danach zu erkundigen, wo er bleibt, ist kein Zeugnis großer Ungeduld. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, auf geeignete Weise zu erfahren, wie es um den Klimawandel in Odenthal und um die Rolle der Gemeinde beim Klimaschutz steht. Derzeit ist das eine Holschuld.

Klimaschutz dürfte mittlerweile als politische Aufgabe mit höchster Priorität akzeptiert sein, die nicht auf die lange Bank geschoben gehört. Abgesehen davon passiert ja zu Klimaschutz und Klimawandel etwas in Odenthal. Was steht einer qualifizierten Berichterstattung im Wege? Interesse in der Bevölkerung ist gleichfalls anzunehmen. Es sollte auch unstrittig sein, dass Berichtspflichten der Verantwortlichen, wie sie durch den Ratsbeschluss im Herbst 2019 für den Bürgermeister entstanden, nicht nur eine Formalität sind. Sie sorgen bei den Berichterstatter*innen dafür, dass die Themen einen angemessenen Stellenwert und Aufmerksamkeit bekommen. Sie stellen insofern eine eigenständige Maßnahme zum Klimaschutz dar. Und letztlich hatte der Gemeinderat vermutlich die sinnvolle Intention, mit dem Bericht selbst ein Steuerungswerkzeug für dieses prägende Thema in die Hand zu bekommen.

Der Beschluss deutet zudem klar auf die Erwartung einer qualifizierten Darstellung der Situation und der Perspektiven zum Klimawandel in den Berichten hin. Hier gibt es in Odenthal sowieso noch Entwicklungspotentiale bei der Öffentlichkeitsarbeit. Beispielsweise ist eine Pressemitteilung über die Einweihung einer Mobilstation in Odenthal-Zentrum eine Nachricht, nicht die Analyse der Wirksamkeit einer Maßnahme. Oder die Zahl der ausgeliehenen Pedelecs innerhalb eines definierten Zeitraumes. Sie ist ein Faktor, kein Ergebnis. Der Bürgermeister nannte in seiner Haushaltsrede am 15. Dezember 2020 hierzu eine Zahl. Weitere Erläuterungen gab er nicht. Informationen in dieser Qualität haben im Kontext mit dem Klimaschutz sachlich keinen Wert. Erst eine qualifizierte Analyse der tatsächlich verhinderten Emissionen stellt doch die Wirksamkeit der Maßnahme gegen den Klimawandel dar. Eine Fahrt mit dem Pedelec ist erst dann eine Klimaschutzmaßnahme, wenn sie die Nutzung eines emittierenden Fortbewegungsmittels ersetzt hat. In seiner Haushaltsrede hat uns der Bürgermeister bloß etwas über den Umsatz des gewerblichen Verleihers mitgeteilt. Hoffentlich ist das nicht ein Ausblick auf das bevorstehende Niveau der Berichte, um die es hier geht.

Wie stehen die Chancen, dass der Bericht demnächst doch verteilt wird? Hierzu hat das Medienprojekt Odenthal die Entwicklung des Beschlusses in der Antrags- und Beschlussdokumentation des Rates einmal nachvollzogen. Diese Dokumentation wird vor jeder Sitzung von der Verwaltung aktualisiert. Der Bericht taucht erstmals zur Ratssitzung am 10. März 2020 darin auf: „Eine Information ist erstmalig für 2020 angestrebt“. Zur Ratssitzung am 23. Juni 2020 ist zum Bericht der Vermerk aktualisiert: „Eine erste Information ist im Laufe des Jahres vorgesehen“. Zur Ratssitzung am 8. September 2020 dann die überraschende Wendung: „Die Angelegenheit wird im Rahmen des Klimaschutz-Maßnahmenpaketes weiter beraten.“ Überraschend ist daran, dass nicht dokumentiert ist, dass der Gemeinderat seinen Beschluss vom 8. Oktober 2019 in der Zwischenzeit aufgehoben hätte. Das wäre wohl auch in der Antrags- und Beschlussdokumentation vermerkt worden. Auch in den Niederschriften der Ratssitzungen ist nichts dergleichen zu finden. Er ist also weiterhin gefasst und rechtskräftig. Er ist keine Angelegenheit, die noch zu beraten wäre, schon gar nicht außerhalb des Rates. Tatsächlich scheint er sich in die klimarelevante Atmosphäre oder einfach in Luft aufgelöst zu haben. Zur bisher letzten Ratssitzung am 15. Dezember 2020 wurde der Vermerk dann nicht mehr aktualisiert. Scheinbar ist er auf dem Abstellgleis angekommen. Die Öffentlichkeit wartet weiter auf die versprochenen zwei Berichte pro Jahr.