Landrat Stephan Santelmann (CDU) fordert eine Erhöhung der Abgaben zur Finanzierung seiner Verwaltung. Da er und sein Kreis keine eigenen Steuereinnahmen generieren können, müssen die Städte und Gemeinden des Gemeindeverbandes Rheinisch-Bergischer Kreis das Geld aufbringen, das der Landrat für seine Politik und seine Verwaltung benötigt – die Kreisumlage. Die Erhöhung kann er zwar fordern, der Kreistag muss sie aber beschließen. In dem Gremium hat er als Landrat nur eine von insgesamt 71 Stimmen.
Kreise sind im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland die oberste kommunale Ebene. Sie stellen einen Gemeindeverband von zusammengeschlossenen Städte und Gemeinden dar. Der Rheinisch-Bergische Kreis besteht aus acht Städten und Gemeinden. Odenthal ist eine davon und die kleinste. Die Kreistagsabgeordneten werden in den Wahlbezirken der verbundenen Städte und Gemeinden gewählt, um dort deren Interessen zu vertreten. Zuletzt am 13. September 2020 bei der Kommunalwahl.
Ohne Zustimmung des Kreistages müsste der Landrat mit dem auskommen, was er bisher als Kreisumlage erhält. Das waren 2020 immerhin insgesamt €149.400.000 (Quelle: Kreisverband der Kämmerinnen und Kämmerer des Rheinisch-Bergischen Kreises). Der Anteil Odenthals wäre 2021 selbst bei unveränderter Kreisumlage allein €12.002.000 einschließlich der Jugendamtsumlage (Quelle: Haushaltsplanentwurf 2021 Odenthal, Seite 52). Für das Jahr 2021 hätte Stephan Santelmann aber gerne €162.900.000 von den acht Städten und Gemeinden seines Kreises (Quelle: Kreisverband der Kämmerinnen und Kämmerer des Rheinisch-Bergischen Kreises). 13,5 Millionen mehr entsprechen einer Steigerung um etwa neun Prozent. Die Erhöhung beliefe sich für die kleinste Gemeinde des Kreises auf insgesamt €475.000 – jedes Jahr (Quelle: Haushaltsrede des Kämmerers vom 15.12.2020). Dass die Forderungen des Landrates mittlerweile leicht nach unten korrigiert wurden, ändert nichts am grundsätzlichen Sachverhalt.
Bei seinen Recherchen hinsichtlich der Freiheiten und Bindungen der Kreistagsabgeordneten bei der bevorstehenden Abstimmung zum Haushalt am 18. März 2021 fiel dem Medienprojekt Odenthal auf der Website des Rheinisch-Bergischen Kreises eine Formulierung auf: „Die Kreistagsmitglieder werden im Rahmen der Kommunalwahlen unmittelbar von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Die Kreisordnung verpflichtet sie, ihre Arbeit kreisweit zu sehen und nicht als Interessenvertreterin oder Interessenvertreter ihrer Kommunen zu handeln.“ Das zog eine Anfrage bei der Pressestelle des Kreises nach sich, da spontan keine entsprechende Verpflichtung in der Kreisordnung oder anderen einschlägigen Rechtsgrundlagen zu finden war. Es leuchtet auch nicht ein, warum Politiker*innen gesetzlich verpflichtet sein sollten, ausdrücklich nicht als Interessenvertreter*innen der Kommunen zu handeln, in denen Sie als deren Repräsentant*innen in das Parlament des Gemeindeverbandes gewählt wurden.
Die gute Nachricht: Das Gegenteil ist wie erwartet der Fall. Die Redaktion erhielt kurze Zeit später eine Antwort der Pressestelle aus Bergisch Gladbach, in der bestätigt wurde, dass auch für die Kreistagsmitglieder der Grundsatz des freien Mandats gelte. Die relevante Passage lautet nun: „Sie sind verpflichtet, in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln; sie sind an Aufträge nicht gebunden.“
Den Odenthaler Kreistagsabgeordneten von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP steht es also frei, gegen die Erhöhung der Kreisumlage zu stimmen. Das wäre damit geklärt. Einige davon haben neben ihrem Kreistagsmandat auch einen Sitz im Gemeinderat Odenthals. Sie können durch ihre Stimme mit Rücksicht auf das öffentliche Wohl aktiv dazu beitragen, dass Landrat Stephan Santelmann in seiner Kreisverwaltung das tut, was in diesen besonderen Zeiten wohl in jeder Gemeinde und jeder Stadt im Rheinisch-Bergischen Kreis unumgänglich ist: Sparen, Verzichten und sich auf das Wesentliche konzentrieren.
In seiner Haushaltsrede im Januar 2021 äußerte Landrat Stephan Santelmann mit Blick auf die Erhöhung seines Budgets, er „habe keinen Zweifel daran, dass der Kreistag auch mit Blick auf die Kommunen eine kluge und verantwortungsvolle Entscheidung treffen wird.“ (Quelle: Druckversion seiner Haushaltsrede). Das wünschten sich viele Odenthaler*innen in Bezug auf Ihre Kommune sicher auch. Nur ist das von ihnen erwartete Ergebnis davon sehr wahrscheinlich, dass das, was im Odenthaler Haushaltsplanentwurf derzeit zusammengestrichen und eingespart wird, nicht als Erhöhung der Kreisumlage beim Landrat landet.
Obwohl der logische Umkehrschluss der von Landrat Stephan Santelmann geäußerten Hoffnung bedeutet, dass ein Kreistag, der einer Erhöhung der Umlage nicht zustimmt, dumm und verantwortungslos ist, haben sich die Kreistagsfraktionen von SPD und FDP bereits öffentlich auf eine Ablehnung festgelegt.
„Die Haushaltsplanungen der kreisangehörigen Kommunen sind geprägt von der katastrophalen wirtschaftlichen Entwicklung und den überdies regulär zu bewältigenden Pflichtaufgaben. Die im Vorfeld zur Einbringung des Kreishaushaltes vorgestellten Zahlen zwängen die Kommunen in ihrer Gesamtheit zu einer Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes von in der Spitze 250 Punkten. Dies in einer Zeit, in der seitens des Bundesministers für Finanzen Olaf Scholz eine Steuererhöhung als das absolut falsche Signal an die Bevölkerung eingeordnet wird.“, schreibt auch der Kreisverband der Kämmerinnen und Kämmerer des Rheinisch-Bergischen Kreises in einer gemeinsamen Stellungnahme. „In diesem Schlüsseljahr ist die Entwicklung der Kreisumlage umso mehr von existentieller Bedeutung für die Haushalte der Städte und Gemeinden.“ Und: „Die vorgestellten Eckdaten des Rheinisch-Bergischen-Kreises sehen damit eine kommunale Mehrbelastung in Millionenhöhe vor. Während die bereits aufgrund der gestiegenen Umlagegrundlagen insgesamt für alle Kommunen rund 2,8 Mio Euro höhere Zahllast ein Fakt gewesen ist, stellt die zusätzliche Umlagesatzerhöhung eine Herkulesaufgabe dar, die seitens der Städte und Gemeinden im Rheinisch-Bergischen Kreis nicht haushalterisch dargestellt werden kann.“
Nimmt man Stellungnahmen wie die der Kämmerer*innen und die Darstellung angespannter Haushaltslagen in allen Gemeinden und Städten des Kreises ernst, müsste das Votum des Kreistages im März diesen Jahres wohl mit 70 : 1 Stimmen gegen die Erhöhung der Kreisumlage ausgehen.
Auch logisch ist kein anderes Ergebnis wahrscheinlich: Eine Entscheidung des Kreistages, die jeder Stadt und jeder Gemeinde aus dem gemeinsamen Verband objektiv schadet, kann kommunal eigentlich gar nicht gedacht werden. Käme es dennoch dazu, wäre damit der Beweis erbracht, dass die von Landrat Stephan Santelmann geführte Kreisverwaltung sich als unabhängiges Subjekt mit eigenen oder dritten Interessen von den verbunden Städten und Gemeinden abgelöst hat. Dazu passte der mittlerweile geänderte Text auf der Website. Man möchte hoffen, dass die Änderung nicht nur im Internet, sondern auch in den Köpfen vollzogen wurde.