Am 29. Juni 2021 lehnte der Gemeinderat den Antrag zur Neuberatung des Haushalts 2021 ab. CDU und Bündnis 90/Die Grünen stellten dafür die erforderliche Mehrheit her. Drei grüne Enthaltungen und FDP sowie SPD änderten daran nichts. Zwei Tage später, am 1. Juli 2021 wurde die Haushaltssatzung amtlich bekanntgemacht und ist damit in Kraft. Nachdem am 15.6.2021 die Vorberatung des FDP-Antrags im Haupt- und Finanzausschuss schon diese Tendenz hatte, war absehbar, dass der Rat entsprechend votieren würde.
Dies hatte Odenthaler Bürger*innen laut dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion wohl veranlasst, sich noch vor der Ratssitzung an die Kommunalaufsicht des Rheinisch-Bergischen Kreises zu wenden, und um die Prüfung der aus ihrer Sicht nicht regelkonformen Aufstellung des Haushaltes zu ersuchen. Auch für sie gibt es offensichtlich gute Gründe, den Haushalt 2021 noch einmal beraten, und nach einer Konsolidierung neu beschließen zu lassen.
Auf die Debatte hatte das keine erkennbaren Auswirkungen. CDU und Bündnis 90/Die Grünen wiederholten in erster Linie die Argumente, die sie bereits im Haupt- und Finanzausschuss einige Tage zuvor dazu veranlasst hatten, sich gegen eine erneute Beratung des Haushalts auszusprechen.
Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen wies also wieder darauf hin, dass man bereits in der Haushaltsplanung für das Jahr 2022 stecke, und keine Zeit dafür sei, den Haushalt 2021 noch einmal zu beraten. Auf den ersten Blick klingt das Argument vielleicht nachvollziehbar. Aus Sicht der Kritiker*innen aus der Bevölkerung könnte sich ein Vorwurf wegen des Timings jedoch bei genauer Betrachtung gegen die Politik selbst wenden. Paragraph 80 Gemeindeordnung NRW verlangt nämlich unter Ziffer 5: „Die vom Rat beschlossene Haushaltssatzung mit ihren Anlagen ist der Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Die Anzeige soll spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres erfolgen.“
Das wäre der 30. November 2020 gewesen. Das heißt, bis dahin hätte in Odenthal das gesamte Verfahren zur Aufstellung des Haushaltes für 2021 mit dem Satzungsbeschluss des Gemeinderates abgeschlossen sein sollen. In Odenthal hatte es jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal begonnen. Erst am 15. Dezember 2020 brachten der Kämmerer und der Bürgermeister ihren Haushaltsentwurf in einer Gemeinderatssitzung ein, und initiierten damit einen Prozess, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit etwa vierzehn Tagen hätte beendet sein sollen.
Der Satzungsbeschluss wurde statt im November 2020 dann erst am 23. März 2021 gefasst. Die Anzeige bei der Aufsichtsbehörde, die gesetzlich für „spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres“ vorgesehen ist, erfolgte Ende April 2021 – fünf Monate später als spätestens vorgesehen.
Einwände gegen die Haushaltssatzung 2021 konnten also deswegen nicht früher vorgebracht werden, weil Politik und Verwaltung in Odenthal nicht früher fertig geworden sind. Erst danach wurden die Gründe für die nun vorgebrachten Beanstandungen erkennbar. Wäre das entsprechend den gesetzlichen Vorgaben früher möglich gewesen, hätte die Debatte über die Neuberatung eines vermeintlich fehlerhaften Haushalts 2021 nicht im Juni 2021, sondern im Januar 2021 geführt werden können. Den Vorwurf schlechten Timings sollten die entsprechenden Politiker*innen also vielleicht lieber sich selbst machen.
Auch die Eingabe der Einwohner*innen bei der Kommunalaufsicht wurde unmittelbar nach der Vorberatung im Haupt- und Finanzausschuss Mitte Juni 2021 gemacht, als absehbar war, dass die Politik keinen eigenen Antrieb zur Neuberatung des Haushalts finden würde – also nichtsdestotrotz so früh wie möglich.
Mit der nun fehlenden Zeit, die man allerdings vorher selbst verbraucht hat, sachlich begründete Kritik aus der Bürgerschaft an der Haushaltssatzung abzuwenden, ist jedenfalls, höflich ausgedrückt, originell.
Laut Paragraph 78 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen tritt abgesehen davon die Haushaltssatzung „mit Beginn des Haushaltsjahres in Kraft und gilt für das Haushaltsjahr.“ In Odenthal wird am heutigen 1. Juli 2021 die Haushaltssatzung also exakt ein halbes Jahr später amtlich bekanntgemacht, zu Beginn der zweiten Hälfte des Haushaltsjahres.
Es steckt sicher eine besondere politische Logik dahinter, wenn Mitglieder der CDU-Fraktion darin nun die Möglichkeit zur Entwarnung hinsichtlich der angespannten Finanzsituation der Gemeinde entdecken: In der verbleibenden Zeit im Haushaltsjahr 2021 sei nun kaum noch Gelegenheit, alle geplanten Investitionen umzusetzen.
Kopfschütteln bei Bürger*innen dürfte auch die Interpretation des Kämmerers in der Gemeinderatssitzung am 29.6.2021 ausgelöst haben. Er erklärte, der Finanzplan im Haushalt sei mit dem Portemonnaie vergleichbar. Worum es aber wirklich ginge, sei die Ergebnisrechnung. Dem Mitarbeiter der Verwaltung steht es natürlich frei, eine eigene Meinung darüber zu haben, um was es wirklich geht. Es würde es ihm vermutlich dennoch helfen, einmal verstehen zu wollen, um was es anderen Personen wirklich geht.
Denn in einem entscheidenden Punkt darf man getrost anderer Ansicht sein als er: Weil die Ergebnisrechnung durch eine ausnahmsweise Bilanzierungshilfe des Gesetzgebers um den Mehraufwand durch die Pandemie besser dargestellt werden darf, als sie in Wahrheit ist, finden manche Menschen eben im Gegensatz zum Kämmerer, dass der Finanzplan gerade das ist, um was es bei der Haushaltsplanung wirklich gehen sollte. Sie halten es eben für vernünftiger, im Portemonnaie nachzuschauen, welches Geld tatsächlich vorhanden ist, statt auf einen Kontoauszug zu blicken, auf dem eine Einzahlung über 2,5 Millionen Euro dargestellt ist, die es gar nicht gegeben hat, nur damit das Konto auf dem Papier nicht überzogen wird. Um im Bild zu bleiben, ist es ja nett von der Bank, diese kreative Art der Kontoführung zu tolerieren. Am leeren Portemonnaie der Kontoinhaber*innen ändert das jedenfalls nichts. Es ist daher durchaus mehr als eine Meinung darüber vertretbar, wer da etwas nicht ganz verstanden hat, oder nicht verstehen möchte.
Die Bürger*innen mögen ihre eigenen Schlüsse ziehen, ob sie in alldem eine sorgfältige Haushaltsplanung erkennen können. Vielen fällt angesichts des jetzt amtlich bekanntgemachten Haushalts 2021, seinem Zustandekommen und mancher Erklärungsversuche von Politik und Verwaltung der optimistische Blick in die Odenthaler Zukunft derzeit schwer.