Alles im Lot?

CDU und Bündnis 90/Die Grünen wollen den Odenthaler Haushalt für das Jahr 2021 nicht neu beraten und beschließen. Die FDP, die den Antrag aufgrund eines erst nach dem Ende der Haushaltsberatungen aufgetauchten Finanzloches von 2,5 Millionen Euro gestellt hatte, und die SPD sprachen sich geschlossen dafür aus. Das reichte im Haupt- und Finanzausschuss am 15.6.2021 nicht für die erforderliche Mehrheit. Der Gemeinderat hat am 29.6.2021 dazu das letzte Wort. Aufgrund der gleichen Mehrheitsverhältnisse, wäre wohl nur dann ein anderes Abstimmungsergebnis zu erwarten, wenn die Meinungen innerhalb der Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen nicht so einheitlich wären, wie noch zuvor im Ausschuss. Wenn das nicht geschieht, behält der Satzungsbeschluss des Gemeinderates vom 23.3.2021 seine Gültigkeit. In Kraft getreten ist die Haushaltssatzung noch nicht. Dafür muss sie noch amtlich bekanntgemacht werden.

Allerdings hat sich eine entscheidende Position in der verabschiedeten Haushaltssatzung als falsch herausgestellt. Der „Gesamtbetrag der Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit“ ist nicht wie beschlossen 33.743.509 Euro, sondern ein um zirka 2,5 Millionen Euro geringerer Betrag, der damit eine negative Abweichung von immerhin etwa 7,5 Prozent der bis dahin angenommenen Gesamteinkünfte darstellt. Die geringeren Einkünfte der Gemeinde kommen durch einen Fehler in der Verwaltung zustande, der in einem Beitrag von Medienprojekt Odenthal bereits näher beschrieben wurde. Der Fehlbetrag lässt sich also nicht etwa dadurch erklären, dass die Annahme in der Planung richtig und begründet gewesen wäre, und sich die Einzahlungen etwa aufgrund unvorhersehbarer Veränderungen im Laufe des Haushaltsjahres nur anders als erwartet entwickelt hätten. Der Fehler steckte bereits im ersten Haushaltsplanentwurf von Ende 2020, den Bürgermeister Robert Lennerts und der Kämmerer in der Sitzung des Gemeinderates am 15.12.2020 einbrachten. Über die anschließende, mehrmonatige Beratungsphase bis hin zum Satzungsbeschluss im März 2021 war nicht aufgefallen, dass mit 2,5 Millionen Euro an Einzahlungen geplant, beraten und beschlossen worden war, die es gar nicht gibt.

Niemand bestreitet, dass die Einkünfte mit 33.743.509 Euro in der Haushaltssatzung falsch dargestellt sind. Eine Frage, die sich damit allerdings stellt, ist, ob sie nun noch amtlich bekannt gemacht werden kann. Andererseits ist die falsche Summe der Einzahlungen aber als Bestandteil der Haushaltssatzung für das Jahr 2021 vom Gemeinderat beschlossen worden. Vor diesem Hintergrund kann es vielleicht nicht damit getan sein, nur darüber zu informieren, was die richtige Summe der Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit in der Satzung hätte sein müssen. Für jede andere Zahl gibt es keinen entsprechenden Satzungsbeschluss als Basis für eine amtlichen Bekanntmachung.

Die von Verwaltung, CDU und Bündnis 90/Die Grünen in Debatten häufig ins Feld geführte Genehmigung des Haushalts durch die Kommunalaufsicht kann dafür auch nicht die Grundlage sein. In Nordrhein-Westfalen ist die Genehmigung eines Haushalts gesetzlich nicht vorgesehen. Die Genehmigung, die von der Verwaltung mit dem 20.5.2021 datiert wird, dürfte daher lediglich die Verringerung der Rücklagen der Gemeinde um die vom Rat beschlossenen €448.918 betreffen. Damit hat die Kommunalaufsicht nicht automatisch alle Ausgaben im Haushalt „genehmigt“, die letzten Endes dazu führen, dass die Eigenmittel der Gemeinde angegriffen werden müssen. Eine Argumentation von CDU und Bündnis 90/Die Grünen, man wolle nicht einen bereits behördlich genehmigten Haushalt neu beraten, und hätte statt dessen den Bescheid der prüfenden Behörde zu respektieren, läuft deswegen also sachlich eigentlich ins Leere.

Der in relevanten Positionen aus einem Fehler heraus entstandene Haushalt für das Jahr 2021 ist daher bei genauer Betrachtung nicht der, der geplant, beraten und beschlossen worden ist.

Die Summe der Einzahlungen sind nämlich nicht die einzige Position in der noch nicht in Kraft getretenen Haushaltssatzung, die hinsichtlich der Wirkung des Fehlers in der Planungsgrundlage in den Blick genommen werden könnte.

Eine andere sind 8 Millionen Euro, die vom Rat als maximale Summe für die Schuldenaufnahme zur Gewährleistung der Zahlungsfähigkeit der Gemeinde beschlossen wurden. Aus diesem Budget will die Verwaltung den Liquiditätskredit über 2,5 Millionen Euro nehmen, der den eigenen Fehler kompensieren soll. Auch dieses Gesamtbudget war aber nach heutigem Stand in Unkenntnis einer um 2,5 Millionen Euro schlechteren Finanzlage festgelegt worden. Wenn nun ohne Weiteres aber ungeplante 2,5 Millionen Euro durch diese Position abgedeckt wären, hätten es dann nicht eigentlich nur 5,5 Millionen Euro sein müssen? Müsste ansonsten die maximale Summe für die zusätzliche Schuldenaufnahme vorher nicht zunächst auf 10,5 Millionen Euro erhöht werden?

Abgesehen davon hat der beschlossene Finanzplan ein negatives Saldo zwischen Einzahlungen und Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit von minus 492.023 Euro. Diesem Fehlbetrag sieht man das Bemühen um einen ausgeglichenen Haushalt immerhin an. Mit 2,5 Millionen Euro weniger Einzahlungen beläuft sich die Differenz aber auf knapp 3.000.000 Euro. Das ist eine Verschlechterung des ursprünglich geplanten Finanzergebnisses um etwa 600 Prozent. Es ist damit außerdem weit vom gesetzlich Gebot einer ausgeglichenen Haushaltsplanung entfernt. Auf das plötzliche Loch fehlender liquider Mittel nun mit Kassenkrediten, und nicht mit einer neuen Planung zu reagieren, ändert an dem verfehlten Ziel des ausgeglichenen Haushalts nichts. Dadurch kommt auch noch ein anderes Gebot bei der Haushaltsplanung in den Fokus: Das Gebot der Generationengerechtigkeit, das bei der Schuldenaufnahme zu beachten ist. Der Gesetzgeber gibt den Kommunen damit auf, alles zu tun, um das Wirtschaften auf Kosten künftiger Generationen zu vermeiden.

Es ist vor diesem Hintergrund mindestens nachvollziehbar, eine erneute Beratung des Haushalts zu verlangen und das zur Debatte auf die Tagesordnung zu setzen. Bisher wurde diese Notwendigkeit allerdings nicht erkennbar mit solch konkreten Punkten begründet. Genauso wenig konkret mussten deshalb vielleicht bisher die Gegenargumente sein.

Nun lässt sich aber aufzeigen, dass mindestens eine falsche Zahl im Satzungsbeschluss steht. Es lässt sich wegen des zunächst unentdeckten Fehlers auch bezweifeln, dass der Haushalt im Wortsinn überhaupt bewusst geplant ist. Die ausreichende Berücksichtigung von prägenden Geboten des Gesetzgebers bei der Haushaltsplanung ist im Ergebnis damit in Frage gestellt. Nun ist das von allen Beteiligten sicher nicht beabsichtigt worden und letztlich durch einen Fehler verursacht. Die Frage ist, wie man darauf reagieren will.

Der Verweis auf eine bereits erteilte Genehmigung des Haushalts reicht unter diesen Umständen kaum aus, sich einer erneuten Beratung und Beschlussfassung grundsätzlich zu verschließen. Letztlich unverbindliche und pauschale Absichtserklärungen, man werde auch ohne Neuplanung des Haushalts schon darauf achten, nur die Ausgaben zu entscheiden, die man sich auch leisten kann, beruhigen auch nicht alle Pessimist*innen. Das ist eher vage und in dieser Situation nur schwer objektiv bewertbar. Die hierdurch zu erwartenden Diskussionen und Kontroversen wegen der jeweils unterschiedlichen Bewertung der Notwendigkeit einzelner Ausgaben sind wohl kein Ersatz für die Verbindlichkeit eines Satzungsbeschlusses nach einer sorgfältigen detaillierten Haushaltsplanung in einer Gemeinde mit angespannter Finanzlage. Einen in dieser Weise fehlerhaften Haushalt stehen zu lassen, um real in einer Art „Schattenhaushalt“ anders zu wirtschaften, ist zudem für die Bürger*innen intransparent.

Wenn Sparsamkeit aber doch das gemeinsame Credo ist, was spricht dagegen, das in einem notwendigerweise angepassten Haushalt verbindlich für Alle zu beschließen? Es sind darin aufgrund der zu optimistischen Annahme der verfügbaren Gelder noch viele leicht verzichtbare Positionen.

Abgesehen von alldem könnte sich der Verzicht auf einen neu beratenen Haushalt für Bündnis 90/Die Grünen perspektivisch zum politischen Minenfeld entwickeln. Im Schulterschluss mit dem politischen Gegner CDU verteidigen sie derzeit den schon ebenfalls gemeinsam beschlossenen Haushalt gegen FDP und SPD. Darin wurden die allgemeinen Rücklagen der Gemeinde bereits um knapp 500.000 Euro verringert. Nun kommen aus dem Nichts neue Schulden dazu. Es müssen nach Aussage der Verwaltung voraussichtlich Liquiditätskredite zwischen 2,5 und 3 Millionen Euro aufgenommen werden. Verbunden mit zirka 2,4 Millionen Euro umfassenden weiteren Krediten für Investitionen steigen also auch mit Bündnis 90/Die Grünen die Schulden der Gemeinde. Ein Vorwurf, der bisher vor allem der bis zur letzten Wahl mit absoluter Mehrheit agierenden CDU gemacht worden war. Die exakte Höhe der Kreditaufnahme für Investitionen von 2.427.635 Euro im beschlossenen Haushalt liegt, nebenbei bemerkt, etwa 1.134 Prozent über den 214.065 Euro, die dafür im Haushaltsplanentwurf ursprünglich vorgesehen waren.

Hinzu kommt, dass sehr wahrscheinlich die CDU Bündnis 90/Die Grünen demnächst beim Thema Steuererhöhungen allein im politischen Regen stehen lassen wird. Im Haupt- und Finanzausschuss am 15.6.2021 stellte ein Sprecher der CDU dafür unmissverständlich keine Unterstützung seiner Fraktion in Aussicht, und ließ gleich die Katze ganz aus dem Sack: Statt dessen müssten alternative Konsolidierungsmöglichkeiten ins Auge gefasst werden. Das seien vor allem Bauvorhaben. Damit deutet die CDU eine politische Zwickmühle an, in der sich dann Bündnis 90/Die Grünen zwischen Pest und Cholera entscheiden kann: Steuererhöhungen oder Neubaugebiete.

Um in einen solchen Wettbewerb um das kleinere Übel bei der Haushaltskonsolidierung gedrängt werden zu können, ist die mindestens angespannte Finanzlage der Gemeinde eine wesentliche Voraussetzung. Bündnis 90/Die Grünen sollten ihre Eintracht mit der CDU bei der Ablehnung der Neuberatung des Haushalts 2021 unter diesem Blickwinkel vielleicht einmal intern in diese Richtung weiterdenken. Die CDU würde politisch mit einer solchen Strategie theoretisch dreimal punkten: Steuererhöhungen verhindert, offensive Baupolitik als Lösung, der derzeit größte Wahl-Konkurrent infrage gestellt.

Denn wie wahrscheinlich ist am Ende die Wiederholung des hervorragenden Wahlergebnisses einer grünen Partei in Odenthal, die perspektivisch nicht weniger Schulden macht, als die CDU vor ihr, die Steuern erhöhen will oder erhöht hat, und die wegen der in der öffentlichen Wahrnehmung wesentlich mitverantworteten schlechten Kassenlage den ländlichen Raum am Ende selbst mit zubaut?

Noch ist das alles nicht so und nur szenarisches Denken. Die Vorzeichen für eine solche mögliche Entwicklung sind aber Mitte des ersten Jahres der Legislaturperiode schon klar erkennbar und bedenkenswert. In der Sache ist die erneute Beratung des Haushaltes aus den genannten Gründen wohl ohnehin das Beste für Odenthal.