Prinzenblick

Am 28. Januar 2021 tagt der Ausschuss Umwelt, Wirtschaft, Tourismus und Kultur. Auf der Tagesordnung steht der Haushaltsplanentwurf 2021. Der Ausschuss dürfte darin unter anderem für den „Prinzenblick“ zuständig sein.

Oberhalb des Altenberger Doms befindet sich der „Prinzenblick“. Der Name des Platzes leitet sich aus einem historischen Zusammenhang ab. An dieser Stelle soll der Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm IV davon überzeugt worden sein, die Instandsetzung des beschädigten Doms mit Staatsmitteln zu unterstützen.

Dieser Aussichtspunkt soll im Jahr 2021 instandgesetzt und verschönert werden. Das Thema beschäftigt die Gemeinde mehr oder weniger bereits seit 2016. Seinerzeit noch unter dem Titel „Prinzenstein“ für den ein eigener Arbeitskreis eingerichtet wurde. Aus der Produktgruppe, der die Maßnahme „Prinzenblick“ im Haushaltsplanentwurf 2021 nun zugeordnet ist, ergibt sich eindeutig der Zweck der Maßnahme: Tourismusförderung.

Unter anderem um Staatsmittel geht es auch heutzutage wieder. Diesmal nicht für den Dom, sondern für den „Prinzenblick“ selbst. Die bereits vom Land Nordrhein-Westfalen bewilligten Fördermittel in Höhe von exakt 141.977 Euro sind verbindlich zugesagt und von der Gemeindeverwaltung im Haushaltsplanentwurf 2021 mit gerundeten 141.980 Euro ausgewiesen. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen stellt die Summe aus seinem aktuellen Förderprogramm bereit. Das Bergische Handelsblatt berichtete über den Besuch von Ministerin Ina Scharrenberg in Odenthal zur Übergabe des Bewilligungsbescheids Anfang September 2020. Die Förderung stammt konkret aus dem Element „Heimat-Zeugnis“ des Förderprogramms. Der Titel ist nicht von entscheidender Bedeutung, führt uns jedoch durch die Website des Ministeriums zu der Broschüre „HEIMAT. ZUKUNFT. NORDRHEIN-WESTFALEN.“ In den Erläuterungen werden die Förderhöchstbeträge für Kommunen auf maximal 80 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben begrenzt. Mit den bewilligten 141.977 Euro ist demzufolge nur ein – wenn auch ganz erheblicher – Teil der Gesamtkosten gedeckt. Zusammen mit den 20 Prozent Eigenanteil der Gemeinde von 35.494 Euro kostet der „Prinzenblick“ also 177.470 Euro. Über die finale Zusage und die genauen Zahlen informierte die Verwaltung den Ausschuss für Umwelt, Wirtschaft, Tourismus und Kultur in der Sitzung vom 2. September 2020. Dieser nahm das zur Kenntnis. (Quelle: Niederschrift der Sitzung). Einen Beschluss, das Projekt unter den präsentierten finanziellen und sachlichen Bedingungen umzusetzen, gab es dazu in der Sitzung nicht. In der vorangegangenen Sitzung im April 2020 war laut der Antrags- und Beschlussdokumentation der Förderantrag noch nicht gestellt, da noch nicht alle Kosten ermittelt waren. In der nachfolgenden Sitzung im November 2020 enthielt die Antrags- und Beschlussdokumentation allerdings bereits den Hinweis, ein Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen sei „mit der Umsetzung des „Prinzenblicks“ beauftragt“ worden. Die Arbeiten sollen 2021 beginnen.

Laut Haushaltsplanentwurf werden in 2021 tatsächlich 177.470 Euro ausgegeben. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass 100.000 Euro davon aus dem Haushalt 2020 übertragen werden. All das beeinflusst den angenommenen Eigenanteil von 35.494 Euro – Kostendisziplin angenommen – nicht, um den es in der Gemeindekasse letzten Endes geht.

Vom Geld einmal abgesehen spricht für das Vorhaben zum Beispiel der identitätsstiftende Aspekt der Pflege historischer Plätze in einer traditionsbewussten Gemeinde wie Odenthal. Tourismusförderung kommt darüber hinaus individuell dem wirtschaftlichen Erfolg der Gewerbetreibenden in der Gemeinde zugute. Speziell der „Prinzenblick“ würde das Ausflugsziel Altenberg attraktiver machen und so die dort angesiedelte Gastronomie unmittelbar unterstützen. Genau diesem konkreten Vorteil für die in Altenberg angesiedelten Gastronom*innen und Hoteliers durch eine steigende Zahl von Tourist*innen und Ausflügler*innen stehen die Nachteile des dadurch weiter anwachsenden Individualverkehrs an Wochenenden und Feiertagen für Klima und Umwelt gegenüber. Da dem für Tourismus zuständigen Ausschuss der Gemeinde Odenthal auch das Thema Umwelt zugewiesen ist, darf man auf die Auflösung dieses Interessenkonfliktes gespannt sein.

Konfliktpotential gibt es auch bei den finanziellen Aspekten. Eine Kostenverteilung von 80 zu 20 zum Vorteil der Gemeinde ist natürlich sehr attraktiv, keine Frage. Allerdings haben Bürgermeister und Kämmerer in ihren Haushaltsreden Mitte Dezember letzten Jahres das Jahr 2021 düster dargestellt. Es steht bereits in Aussicht, dass die Fehlbeträge der Haushalte der nächsten Jahre mit Kassenkrediten ausgeglichen werden müssen (Quelle: Haushaltsplanentwurf 2021, Seite 25). Bei der Darstellung der Konsolidierungsmöglichkeiten wird über eine Erhöhung des Hebesetzes bei der Grundsteuer B von 540 auf den Kreisdurchschnitt von 610 Punkte sinniert. (Quelle: Haushaltsplanentwurf 2021, Seite 26). Eine Anhebung um konkret 140 Punkte ist scheinbar ohnehin für die Odenthaler*innen schon vorgesehen.

In der letzten Sitzung des Jahres 2020 hat der Gemeinderat bereits die Gebühren für die Straßenreinigung, für den Winterdienst, für das Niederschlagswasser sowie für das Abwasser erhöht.

Dazu passt irgenwie, dass die Verwaltung dem Ausschuss Umwelt, Wirtschaft, Tourismus und Kultur in der kommenden Sitzung Vorschläge zur Einführung einer neuen Gebühr für Odenthal unterbreiten will.

Weil die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, Gewässer in ihrem Gebiet zu unterhalten, entstehen ihr Kosten. Zur Gewässerunterhaltungspflicht gehört zum Beispiel die Erhaltung des Gewässerbettes, die Erhaltung der Ufer, die Freihaltung der Ufer für den Wasserabfluss, oder die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers, insbesondere als Lebensraum von wild lebenden Tieren und Pflanzen.

In der veröffentlichten Sitzungsvorlage erklärt die Verwaltung, dass Odenthal seine Pflicht auf den Wupperverband und den Strundeverband übertragen hat. Die Kosten für den Aufwand der beiden Verbände trägt die Gemeinde. In den Haushalt 2021 sind dafür insgesamt 87.551 Euro eingestellt. Wegen des Sanierungsbedarfs rechnet das Rathaus in Odenthal bereits damit, dass diese Kosten künftig steigen werden. Sollte der Vorschlag der Verwaltung umgesetzt werden, erhöht sich allerdings erst einmal der Betrag, der auf die künftigen Gebührenzahler*innen umgelegt wird, um über 70 Prozent. Da auch die „Personal- und Verwaltungskosten zur Durchführung der Umlage und der Aufwand zur Ermittlung der Umlage“ „zum umlagefähigen Aufwand“ gehören, schätzt die Verwaltung den Gesamtaufwand für 2021 danach insgesamt auf 150.000 Euro. Die Umlage von 87.551 Euro kostet die künftigen Gebührenzahler*innen demzufolge zusätzlich 62.449 Euro. (Quelle: Beschlussvorlage der Verwaltung 7/0065).

Ein gesetzliche Verpflichtung zur Umlage besteht nicht. Immerhin räumt die Verwaltung in ihrer Sachverhaltsdarstellung selbst ein, Odenthal sei mit der Umsetzung der Maßnahme die erste und einzige Gemeinde im Rheinisch-Bergischen Kreis, die dann ihre Gewässerunterhaltungsgebühr umgelegt hätte.

Realisiert würde die neue Gebühr erst durch einen späteren Ratsbeschluss und eine entsprechende Satzung. Der Ausschuss für Umwelt, Wirtschaft, Tourismus und Kultur soll laut Beschlussvorschlag die Ausführungen der Verwaltung Ende Januar erst einmal nur zur Kenntnis nehmen und die Verwaltung beauftragen, eine Vorlage zur Beschlussfassung vorzubereiten.

Hoffentlich nutzt der Ausschuss am nächsten Donnerstag die Gelegenheit zu einer ganzheitlichen Debatte. Der „Prinzenblick“ hat zwar mit der neuen Grundwasserunterhaltungsgebühr oder der Straßenreinigung sachlich nichts zu tun. Wenn die finanzielle Not der Gemeinde aber so groß ist, den Bürger*innen zahlreiche bereits erhobene Gebühren zu erhöhen und zusätzliche Gebühren in der vorgeschlagenen Art und Weise einzuführen, gehören aufschiebbare Investitionen auf den politischen Prüfstand. Der „Prinzenblick“ ist jedenfalls ein Kandidat für die Liste der Projekte, die einen Aufschub bis zur finanziellen Genesung der Gemeinde dulden können.