Eine Beschwerde über ein Sonderamtsblatt

Dem Haupt- und Finanzausschuss der Gemeinde Odenthal liegt für seine Sitzung am 9. März 2021 eine Beschwerde über ein Sonderamtsblatt aus der Bürgerschaft vor. Die Redaktion traf sich mit der Person, die die Beschwerde gegen Bürgermeister Robert Lennerts eingereicht hat, und sprach mit ihr über die Beweggründe und die Inhalte. Konkret wird in der Beschwerde beanstandet, dass mit einem Sonderamtsblatt die Änderung des Flächennutzungsplans für die Dhünner Wiese (Ponywiese) und der entsprechende Bebauungsplan in Kraft gesetzt wurden. Um der Beschwerde inhaltlich folgen zu können, die im öffentlichen Teil der Sitzung am 9. März 2021 erörtert werden wird, hier kurz die Chronologie der relevanten letzten Phase der Bauleitplanung zur Ponywiese:

3. Dezember 2020: „Der Ausschuss für Planen und Bauen empfiehlt dem Rat der Gemeinde […] mehrheitlich, den Feststellungsbeschluss der 17. Flächennutzungsplanänderung aufzuheben und den Bürgermeister zu beauftragen, den Antrag auf Genehmigung des Flächennutzungsplans zurückzuholen.“

So lautete der Beschluss des Ausschusses Anfang Dezember. Ein Feststellungsbeschluss beendet üblicherweise das Planverfahren der Gemeinde. Das war für die Ponywiese am 08.09.2020 im Gemeinderat der Fall gewesen – wenige Tage vor den Wahlen. Der Feststellungsbeschluss ist eine formale Voraussetzung für die Genehmigung der Änderung eines Flächennutzungsplans durch die Bezirksregierung. Der Beschluss zur Empfehlung der Aufhebung des Feststellungsbeschlusses war nach den Kommunalwahlen im September also wohl eine eindeutige Willensbekundung der neuen Mehrheit im Ausschuss für Planen und Bauen, den Flächennutzungsplan erst einmal nicht zu ändern.

Bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat war davon auszugehen, dass der Empfehlung des Ausschusses für Planen und Bauen vom 3.12.2020 in der bereits anberaumten Ratssitzung am 15.12.2020 gefolgt werden würde.

Der Antrag lag zu diesem Zeitpunkt nach Angaben der Verwaltung seit fast zwei Monaten bei der Bezirksregierung in Köln zur Genehmigung vor. Die Genehmigungsfrist von einem Vierteljahr endete am 08.01.2021. Bis dahin hätte die Bezirksregierung Zeit gehabt, die Genehmigung zu erteilen. Die Verwaltung erläuterte zudem in der Sitzung, „dass die Genehmigung als erfolgt gelte, wenn die Bezirksregierung bis Ablauf der Frist keine Einwendungen gegen die Genehmigung vorbringe.“ Die Genehmigung hätte sich ohne vorherige Mitteilung also automatisch am 9.1.2021 selbst erteilt.

4. Dezember 2020: Einen Tag nach der Sitzung und der darin beschlossenen Empfehlung an den Gemeinderat, den Feststellungsbeschluss der 17. Flächennutzungsplanänderung aufzuheben, genehmigte die Bezirksregierung in Köln die 17. Änderung des Flächennutzungsplans.

Damit der geänderte Flächennutzungsplan in Kraft treten kann, muss die Erteilung seiner Genehmigung jedoch noch ortsüblich bekanntgemacht werden. In Odenthal geschieht das mit der digitalisierten Version des Amtsblattes „Das Rathaus“ auf der Website der Gemeinde. Das Ortsrecht Odenthals definiert: „Öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinde, die durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben sind, werden durch Bereitstellung auf der Internet-Website der Gemeinde, www.odenthal.de, vollzogen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. […] Nachrichtlich wird auf die erfolgte Bereitstellung und die Internetadresse im nächsten auf die Bekanntmachung planmäßig folgende Ausgabe des gemeindlichen Amtsblattes hingewiesen.“ „Die öffentliche Bekanntmachung ist mit Ablauf des Tages, an dem das digitalisierte Dokument im Internet verfügbar ist, vollzogen.“ Die Termine für die planmäßige Ausgaben werden üblicherweise für ein ganzes Jahr im Voraus festgelegt. Für den 17. Dezember 2020 war die letzte Ausgabe von „Das Rathaus“ in 2020 vorgesehen.

8.Dezember 2020: Im Haupt- und Finanzausschuss teilte der Bürgermeister die Genehmigung der Bezirksregierung vom 4.12.2020 mit. In der Sitzung wurden keine Hinweise darauf gegeben, dass ein Sonderamtsblatt geplant wäre, mit dem die Änderung des Flächennutzungsplans durch die Bekanntmachung der Genehmigung zwei Tage später in Kraft gesetzt werden soll.

10. Dezember 2020: Das Sonderamtsblatt erschien, machte die Erteilung der Genehmigung bekannt, und setzte damit die Änderung des Flächennutzungsplans und den Bebauungsplan in Kraft.

15. Dezember 2020: Der Gemeinderat konnte aufgrund der Inkraftsetzung der Änderung des Flächennutzungsplans durch das Sonderamtsblatt der Empfehlung des Ausschusses für Planen und Bauen nicht mehr wirksam folgen. Nach sehr intensivem Meinungsaustausch zu dem hier noch einmal geschilderten Ablauf machten Bündnis 90/Die Grünen selbst den Beschlussvorschlag, dem dann mehrheitlich gefolgt wurde: „Der Rat der Gemeinde nimmt mehrheitlich zur Kenntnis, dass die Empfehlung des Ausschusses für Planen und Bauen aufgrund der bereits erfolgten Veröffentlichung obsolet geworden ist.“

17. Dezember 2020: Veröffentlichung der planmäßig erscheinenden Ausgabe des Amtsblattes „Das Rathaus“.

Ein Sonderamtsblatt vom 10.12.2020 beendet also letztlich den jahrelangen Kampf um die Ponywiese, und damit die Person, die entschieden hat, dass es veröffentlicht wird. Bürgermeister Robert Lennerts ließ an diesem Umstand selbst auch keinen Zweifel.

Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen war in der Gemeinderatssitzung darüber nicht amüsiert, und erklärte Robert Lennerts zum Ablauf: „Anstatt sich nun dem zu erwartenden Auftrag der Mehrheit der Gemeinderatsmitglieder konform zu verhalten und die Gemeinderatssitzung vom 15.12.2020 abzuwarten, schaffen Sie Herr Bürgermeister, mit der Veröffentlichung des Schreibens der Bezirksregierung vom 04.12.2020 in einem „Sonderblatt“ in „letzter Minute“ unumkehrbare Fakten!“ Und: „Sie, Herr Bürgermeister, haben in diesem Thema die Zusammenarbeit mit dem Rat verweigert und in einer ungewohnten Schnelligkeit einen Rechtszustand herbeigeführt, den weder Grüne, FDP und SPD postuliert haben.“(Quelle: „Stellungnahme unseres Fraktionsvorsitzenden Norbert Dörper, die er in der Ratssitzung vorgetragen hat“, Website Bündnis 90/Die Grünen, OV Odenthal).

Auch aus den Fraktionen von FDP und SPD kamen deutliche Worte. Sie alle verband überwiegend der Vorwurf an den Bürgermeister, er hätte den vorhersehbaren Ausgang einer demokratischen Abstimmung in der Gemeinderatssitzung am 15.12.2020 mit dem kurz davor erschienen Sonderamtsblatt verhindern wollen.

Um diesen Vorwurf zu entkräften, argumentierte Bürgermeister Robert Lennerts, die Veröffentlichung des Sonderamtsblattes habe andere Gründe. Diese stellte er in der Vorlage zur Gemeinderatssitzung dar: „In dem Kaufvertrag, der mit einem Investor des betroffenen Grundstückes geschlossen wurde, sind Bedingungen vereinbart worden, die an die Bekanntmachung des Bebauungsplanes gem. § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB gebunden sind. Sollten diese nicht erfolgen, sind damit zivilrechtliche und haushaltsrechtliche Folgen verbunden, die aus Sicht der Verwaltung zu Schaden der Gemeinde führen würden. Daher hat sich die Verwaltung für eine Bekanntmachung der Bauleitpläne durch Sonderamtsblatt am 10.12.2020 entschieden.“ In derselben Ratssitzung wiesen er und der Kämmerer der Gemeinde eindringlich darauf hin, dass ein nicht erzielter Verkaufserlös voraussichtlich ein so negatives Bilanzergebnis der Gemeinde erzeugen würde, dass Odenthal in die Haushaltssicherung geriete. Zusätzlich wurden bis zu €1.000.000 Schadensersatzansprüche des Investors in den Raum gestellt.

Damit gab Bürgermeister Robert Lennerts dem Sonderamtsblatt die Note einer notwendigen Maßnahme, um Schaden von der Gemeinde abzuwenden. Gleichzeitig kann man daraus eine zeitkritische Komponente ableiten, denn der Schaden wurde durch ein Sonderamtsblatt am 10.12.2020 abgewendet, was mutmaßlich durch die „planmäßig folgende Ausgabe“ des Amtsblattes, die seit Langem für den 17.12.2020 vorgesehen war, nicht möglich gewesen wäre. Ohne Änderung des Flächennutzungsplans wäre der Bebauungsplan nicht in Kraft getreten. Das war jedoch als Ergebnis der Gemeinderatssitzung am 15.12.2020 aufgrund der Empfehlung des Ausschusses vom 3.12.2020 anzunehmen. Da nach den Ausführungen des Bürgermeisters die zivil- und haushaltsrechtlichen Folgen einer ausbleibenden Bekanntmachung den Schaden für die Gemeinde bedeuten würde, musste wohl deshalb das Sonderamtsblatt auch vor dem 15.12.2020 erscheinen, wird in der Beschwerde logisch geschlussfolgert.

Darin sieht die Beschwerde allerdings den Charakter einer Dringlichkeitsentscheidung, einer Maßnahme, die keinen Aufschub von auch nur fünf Tagen bis zur angesetzten Ratssitzung oder von sieben Tagen bis zur planmäßig folgenden Ausgabe des Amtsblattes duldete. Auf diesen Rechtfertigungsgrund für das Sonderamtsblatt deuten die Erklärungen von Bürgermeister Robert Lennerts in der Gemeinderatssitzung ebenfalls hin. Das bringt ihm allerdings nun die vorliegende Beschwerde aus der Bürgerschaft ein. Der Prozess, den der Bürgermeister entsprechend der eingereichten Beschwerde hätte einhalten müssen, ist bindend im Landesrecht von Nordrhein-Westfalen geregelt:

„Der Hauptausschuss [Anmerkung der Redaktion: Haupt- und Finanzausschuss in Odenthal] entscheidet in Angelegenheiten, die der Beschlussfassung des Rates unterliegen, falls eine Einberufung des Rates nicht rechtzeitig möglich ist (Eilentscheidung). Ist auch die Einberufung des Hauptausschusses nicht rechtzeitig möglich und kann die Entscheidung nicht aufgeschoben werden, weil sonst erhebliche Nachteile oder Gefahren entstehen können, kann die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister und im Falle ihrer oder seiner Verhinderung die allgemeine Vertreterin oder der allgemeine Vertreter mit einem Ratsmitglied entscheiden (Dringlichkeitsentscheidung). Die nach Satz 1 oder nach Satz 2 getroffenen Entscheidungen sind dem Rat in der nächsten Sitzung zur Genehmigung vorzulegen. Er kann die Entscheidungen aufheben, soweit nicht schon Rechte anderer durch die Ausführung des Beschlusses entstanden sind.“

Keiner dieser auch für zeitkritische Situationen vorgesehenen Schritte der schnellen Herbeiführung von dringenden Entscheidungen seien für die Entscheidung eines Sonderamtsblattes unternommen worden, wird in der Beschwerde beanstandet. Die Gelegenheit, den Haupt- und Finanzausschuss, der zwei Tage vor Erscheinen des rechtswirksamen Sonderamtsblattes ohnehin tagte, diese Eilentscheidung treffen zu lassen, ließ der Bürgermeister ungenutzt.

Aus der folgenden Gemeinderatssitzung wird der Bürgermeister in der Beschwerde damit zitiert, er habe hinsichtlich des Sonderamtsblattes schlaflose Nächte gehabt, aber keine andere Chance gesehen, Schaden von der Gemeinde abzuwenden. Eine solche Gefühlslage spricht eher dafür, es hätte sich nicht bloß um „ein Geschäft der laufenden Verwaltung“ gehandelt, sondern in der Tat um eine zeitkritische Notlage. Die war bis zu der Beschwerde die von Bürgermeister Robert Lennerts vorgebrachte Begründung, mit der er den Vorwurf von Teilen des Gemeinderats, ihm sei es nur darum gegangen, die vorhersehbare Entscheidung am 15.12.2020 zu verhindern, entkräften konnte. Auf eine kritische Situation geht er nun in seiner öffentlichen Sachverhaltsdarstellung zur Beschwerde aber nicht ein. Da wird das Sonderamtsblatt wie eine Routine im Tagesgeschäft dargestellt.

So dürften viele Augen am 9.3.2021 erneut auf die Ausschuss-Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen gerichtet sein. Am 15.12.2020 waren sie über das Verhalten des Bürgermeisters empört, ergaben sich bei der Beschlussfassung dann aber dem Rechtfertigungsgrund der Notlage durch ihr mehrheitliches Votum gemeinsam mit der CDU. Zwei „grüne“ Ratsmitglieder enthielten sich. Das Sonderamtsblatt blieb damals für den Bürgermeister folgenlos. Bündnis 90/Die Grünen dürften von einem ernst gemeinten Versuch des Bürgermeisters, die nun eingereichte Beschwerde überraschenderweise damit zu entkräften, es hätte sich bei dem Sonderamtsblatt gar nicht um eine Dringlichkeitsentscheidung gehandelt, wohl nicht viel halten. Immerhin hatten sie dafür eines der herausragenden Ziele ihres Wahlkampfes aufgeben müssen: Die Bebauung der Ponywiese zu verhindern.

Am 15.12.2020 hat man mehrheitlich zur Kenntnis genommen, dass das Sonderamtsblatt am 10.12.2020 notwendig war, um Schaden von der Gemeinde abzuwenden. Nun wäre es vielleicht angebracht, nun auch dabei zu bleiben, und vor diesem Hintergrund die Beschwerde zu bewerten. Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen schloss sein Statement in der Gemeinderatssitzung nach dem Sonderamtsblatt jedenfalls mit einem Hinweis auf die konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle der Gemeinde an die Adresse des Bürgermeisters: „Aber genau darauf haben Sie, wie auch wir, den Eid abgehalten! Wir werden uns daran halten! Und sehr genau beobachten, ob Sie das in Zukunft tatsächlich auch beherzigen werden.“

Am 9. März 2021 könnte die eingereichte Beschwerde dafür eine Gelegenheit sein.