Interview zum aktuellen ISEK

Seit 2019 wird im Auftrag der Gemeinde für die Entwicklungsachse Odenthal-Altenberg an einem Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) gearbeitet. Was ein ISEK ist und wozu es benötigt wird, berichtete das Medienprojekt Odenthal am 16. Februar 2021 in seinem Beitrag „ISEK? Regionale 2025? Region Köln/Bonn? Agentur?“. Um den Stand und das weitere Vorgehen bezüglich des Konzeptes für die Entwicklungsachse war es dann am 18. Februar 2021 in einer Sondersitzung des Ausschusses für Planen und Bauen gegangen. Tags darauf erschien dazu der Beitrag „Was wird gefördert?“. Zu einigen darin aufgeworfenen Fragen gibt es nun weitere Erkenntnisse. Hans-Josef Schmitz, Fraktionsvorsitzender der FDP im Gemeinderat, sprach mit Uwe Christoph für das Medienprojekt Odenthal über neue Entwicklungen und mögliche Konsequenzen für das Projekt.

Medienprojekt Odenthal: Das Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept für die Entwicklungsachse Odenthal-Altenberg wurde im März 2019 im nichtöffentlichen Teil einer Gemeinderatssitzung beschlossen. Nach den Richtlinien des entsprechenden Programms des Landes Nordrhein-Westfalen ist ja das Vorhandensein eines ISEK eine formale Voraussetzung für die Beantragung und Bewilligung entsprechender Fördermittel. Wurde das ISEK ebenfalls zu diesem Zweck von der Gemeinde in Auftrag gegeben, oder wäre es auch erstellt worden, wenn das für die Fördermittelbeschaffung nicht erforderlich gewesen wäre?

Hans-Josef Schmitz: Es gab in der Gemeinderatssitzung, in der das ISEK beschlossen wurde, keinen Zweifel daran, dass es eine Voraussetzung ist, um überhaupt Chancen auf Fördermittel aus dem Städtebauförderprogramm zu haben. Das war Sinn und Zweck, das Geld für die Beauftragung eines Fachbüros in die Hand zu nehmen.

Medienprojekt Odenthal: Das beauftragte Fachbüro hat am 18. Februar 2021 in einer Sondersitzung des Ausschusses für Planen und Bauen sein Ergebnis präsentiert. War die FDP mit der Leistung der Experten und Expertinnen zufrieden?

Hans-Josef Schmitz: Die beiden Ausschuss-Mitglieder meiner Fraktion haben bei dieser Sitzung als einzige dagegen gestimmt, das vorgelegte ISEK des beauftragten Planungsbüros als Basis für eine vertiefte Rahmenplanung zu verwenden. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Konzept bereits 72.000 Euro gekostet und es sollten weitere 80.000 Euro der Gemeinde bereit gestellt werden. Wir wollten das nicht unterstützen.

Medienprojekt Odenthal: Warum?

Hans-Josef Schmitz: In erster Linie konnten wir die bei anderen Gelegenheiten beklagte angespannte Haushaltslage in Odenthal nicht mit der Absicht in Einklang bringen, ein Projektvolumen von zirka zwanzig Millionen Euro konkret ins Auge zu fassen. Etwa die Hälfte davon müsste die Gemeinde selbst aufbringen.

Medienprojekt Odenthal: Das war in der Sitzung ein Punkt, auf den sich auch mehrere Nachfragen von Mitgliedern von Bündnis 90/Die Grünen bezogen. Bürgermeister Robert Lennerts erläuterte aber, man könne entsprechend den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde auch nach einer erteilten Genehmigung für das Gesamtkonzept frei wählen, welche Einzelmaßnahmen man umsetzen möchte, und welche nicht. Danach waren die Vertreter*innen von Bündnis 90/Die Grünen dann doch bereit, der weiteren Planung zuzustimmen. Warum die FDP nicht?

Hans-Josef Schmitz: Die Ausführungen des Bürgermeisters in der Sitzung waren so zu verstehen, dass Einzelmaßnahmen aus dem Gesamtkonzept im mehrjährigen Umsetzungszeitraum ohne negative Folgen für die Förderung beliebig abgewählt werden können. Während die Grünen sich auf diese Äußerungen des Bürgermeisters offensichtlich verlassen haben, hatten wir erhebliche Zweifel daran. Deswegen sind wir bei unserer Ablehnung geblieben. Das Medienprojekt Odenthal hat ja in einem Beitrag nach der Sitzung ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Einschätzung des Bürgermeisters zumindest in den relevanten Förderrichtlinien so nicht zu finden ist.

Medienprojekt Odenthal: Der Titel des Beitrages war: „Was wird gefördert?“, und stellte Richtlinien und einen Programmaufruf des zuständigen Landesministeriums der Darstellung des Bürgermeisters gegenüber. Das Fazit des Beitrages war, vielleicht sicherheitshalber noch einmal zu prüfen, was nun verbindlich zutrifft.

Hans-Josef Schmitz: Scheinbar hat die Verwaltung das jetzt nach der Sitzung Mitte Februar getan. Mittlerweile wurde ein Vermerk der Verwaltung an die Ausschussmitglieder verteilt. Darin werden die Bedingungen, unter denen unser Vorhaben entlang der Entwicklungsachse gefördert werden kann, erklärt. Im Ergebnis stelle ich fest, dass unsere Zweifel an der Position des Bürgermeisters angebracht waren. Es ist nämlich so, wie wir es in der Sitzung schon formuliert haben: Es gibt keine beliebige Rosinenpickerei in der Gesamtmaßnahme. Die Gemeinde kann sich innerhalb eines mehrjährigen Zeitraums zwar die Reihenfolge und den Zeitpunkt der Umsetzung von Einzelmaßnahmen aussuchen. Mehr aber auch nicht. Prägende Einzelmaßnahmen können entgegen der Einschätzung des Bürgermeisters aus dem geförderten Gesamtkonzept nicht nachträglich einfach herausgenommen werden. In der nun herausgegebenen Stellungnahme der Verwaltung wird unter anderem auf die Richtlinien verwiesen, die der Beitrag im Medienprojekt Odenthal auch genannt hat.

Medienprojekt Odenthal: Kann man sagen, dass der Ausschuss für Planen und Bauen bei der Abstimmung über das weitere Vorgehen demnach von falschen Voraussetzungen ausging?

Hans-Josef Schmitz: Das wird wohl teilweise so gewesen sein, denn es gab scheinbar nach der Sitzung von Ausschussmitgliedern offizielle Anfragen bezüglich der Richtigkeit der Aussage des Bürgermeisters zu diesem speziellen Punkt. Das hat wohl erst überhaupt zu dem Schriftstück geführt, das die Verwaltung daraufhin verfassen musste. Leider hat der Bürgermeister diesen Vermerk nicht persönlich herausgegeben. Es wäre sicher souveräner gewesen, wenn er selbst seine Äußerungen in der Sitzung korrigiert hätte, statt das nun einem seiner Mitarbeiter zu überlassen. Das ändert aber nichts an den nun wenigstens vorliegenden klaren Fakten.

Medienprojekt Odenthal: Was bedeutet das rückblickend für den Beschluss des Ausschusses zum weiteren Vorgehen?

Hans-Josef Schmitz: Für die FDP ändert das natürlich erst einmal nichts. Wir haben in der Sitzung ja sowieso schon entsprechend votiert. Was das für die Kolleginnen und Kollegen heißt, die am 18. Februar anders abgestimmt hätten, wenn ihnen die aktuelle Richtigstellung der Verwaltung vor der Sitzung vorgelegen hätte, müssen die Betroffenen für sich entscheiden. Sollten die falschen Informationen tatsächlich das Abstimmverhalten beeinflusst haben, würde das nach meiner Einschätzung logischerweise den Beschluss formal in Frage stellen.

Medienprojekt Odenthal: Entsteht denn ein Schaden, wenn einfach trotzdem wie beschlossen auf der Basis des ISEKs weitergeplant wird? Man könnte doch die neue Sachlage berücksichtigen und zum Beispiel das Gesamtvolumen des ISEK in der nun folgenden vertieften Rahmenplanung auf ein Gesamtkostenvolumen reduzieren, das auf jeden Fall in dem mehrjährigen Zeitfenster für die Gemeinde zu stemmen wäre.

Hans-Josef Schmitz: Ob die Gemeinde überhaupt auch nur einen Euro in den nächsten Jahren stemmen kann, den sie nicht unbedingt ausgeben muss, sollten wir lieber erst einmal abwarten. Aber wir haben nach der jetzt revidierten Darstellung der Verwaltung noch einen ganz anderen Aspekt zu debattieren. Die Verwaltung räumt nämlich in ihrem Vermerk plötzlich ein, dass zwei der drei im ISEK integrierten Planungsräume voraussichtlich gar nicht förderfähig sind. Es gibt entlang der Entwicklungsachse, die im ISEK betrachtet wird, drei Planungsräume: „Ortsmitte“, „Dhünnkorridor“ und „Altenberg“, jeder bestehend aus mehreren Einzelmaßnahmen. In der Sitzung wurde kein Wort darüber verloren, dass Zweifel über die Förderfähigkeit des Gesamtkonzeptes, das im ISEK dargestellt wird, bestehen könnten. Wenige Tage später wird von der Verwaltung darauf hingewiesen, dass der Planungsraum „Dhünnkorridor“ ein Landschaftsraum ist. Im Planungsraum „Altenberg“ können jetzt auf einmal bislang städtebauliche Missstände, die den Einsatz von Städtebaufördermitteln rechtfertigen, noch nicht in ausreichendem Maße dargestellt werden. Damit erfüllen diese beiden Planungsräume plötzlich nach neuer Einschätzung der Verwaltung nicht einmal mehr die Anforderung für eine Förderung aus dem Städtebauförderprogramm, das aber eindeutig als Förderkulisse anvisiert war. Unter Druck rudert die Verwaltung also gerade an allen Ecken zurück.

Medienprojekt Odenthal: Daraus folgt?

Hans-Josef Schmitz: Eingangs unseres Gespräches wurde darauf hingewiesen, dass dieses ISEK in Auftrag gegeben worden ist, um damit Fördermittel für die Umsetzung des Gesamtkonzeptes aus dem Städtebauförderprogramm beantragen zu können. Dafür hat die Gemeinde viel Geld ausgegeben. Es stellt sich nun heraus, dass das für den überwiegenden Teil des vorgelegten ISEK gar nicht geht. Einerseits kann man sich deshalb Fragen bezüglich der Wertigkeit des Arbeitsergebnisses des Fachplanungsbüros stellen. Dafür wurden der Gemeinde immerhin 72.000 Euro in Rechnung gestellt, obwohl in wesentlichen Teilen des abgelieferten ISEK das Thema verfehlt zu sein scheint. Andererseits ist doch damit klar, dass dieses ISEK nicht wie im letzten Ausschuss für Planen und Bauen beschlossen die Basis für eine vertiefte Rahmenplanung für weitere 80.000 Euro sein kann. Das ISEK, das wir in der Sondersitzung diskutiert haben, existiert gar nicht.

Medienprojekt Odenthal: Die Verwaltung wollte für die bewilligten 80.000 Euro einen Wettbewerb für drei Planungsbüros ausschreiben. Die sollten unter Beteiligung der Öffentlichkeit um den besten Entwurf für eine vertiefte Rahmenplanung für die Entwicklungsachse antreten.

Hans-Josef Schmitz: Ich halte das in der nun entstandenen Lage für ausgeschlossen. Dieser Wettbewerb sollte auf dem bisherigen Ergebnis des ISEK aufsetzen, und die Planung in Richtung Förderung konkretisieren. Das vorgelegte ISEK hat die Verwaltung aber ja selbst als Basis dafür disqualifiziert. An was würde unter diesen Umständen denn dann die Öffentlichkeit mit welcher Zielsetzung überhaupt beteiligt? Am ISEK für die „Ortsmitte“, an der Entwicklung des Landschaftsraums „Dhünnkorridor“, oder an was auch immer in Altenberg? Soll die interessierte Öffentlichkeit sich für jeweils drei Projekte bei jeweils drei Wettbewerbern, also insgesamt neun Werkstatt-Veranstaltungen anmelden? Allein dieser Aspekt zeigt doch deutlich auf, dass das ganze Vorhaben aktuell seine Struktur vollständig verloren hat, und unmöglich ohne die notwendigen organisatorischen und politischen Korrekturen weitergeführt werden kann.

Medienprojekt Odenthal: Wie kann es mit oder ohne ISEK für die Entwicklungsachse weitergehen?

Hans-Josef Schmitz: Der Bürgermeister und seine Verwaltung mussten nach der Sitzung des Ausschusses für Planen und Bauen am 18. Februar unter entsprechendem Druck den Planungsstand und die Förder-Perspektiven im Zusammenhang mit dem ISEK in wesentlichen Belangen stark relativieren. Die Darstellung einer großen Entscheidungsfreiheit bei der Umsetzung des Gesamtkonzeptes war falsch. Die Förderfähigkeit der gesamten Idee steht aktuell in Frage. Das gilt übrigens nach der Aufdeckung der formalen Mängel für die Förderfähigkeit der bisherigen Kosten für die Fachplaner in gleichem Maße. Bisher dachten wir, die Gemeinde bekäme die Hälfte der 72.000 Euro für das ISEK aus Fördermitteln zurück. Die Gremien können an all dem nicht vorbeigehen und einfach auf der Basis falscher und unvollständiger Informationen weitermachen, als wüsste man es jetzt nicht besser. Der Beschluss, weitere 80.000 Euro für eine vertiefte Planung zur Verfügung zu stellen, kann aus meiner Sicht nicht umgesetzt werden, ohne dass dadurch weiterer Schaden entsteht. Daran kann niemand in den Fraktionen ein Interesse haben. Wir müssen also zeitnah gemeinsam klären, ob das vorhandene ISEK auf die Ortsmitte reduziert werden kann, und damit überhaupt noch Fördermittel aus dem Städtebauförderprogramm beantragt werden können. Für die Planungsräume „Ortsmitte“ und „Altenberg“ muss geklärt werden, welche anderen Förderprogramme für sie in Frage kommen, und ob in deren Richtlinien auch ein teures ISEK für den Antrag gefordert wird. Erst wenn all diese Informationen belastbar vorliegen, können wir erneut darüber beraten, wie es weitergehen kann.