ISEK? Regionale 2025? Region Köln/Bonn? Agentur?

Am 18. Februar geht es im Ausschuss für Planen und Bauen allein um das ISEK „Entwicklungsachse Odenthal – Altenberg“. Was ist ISEK, und wie sind die Zusammenhänge? Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte (ISEKs) verkaufen sich seit 2018 im Rheinisch-Bergischen Kreis gut. Die Nachfrage dürfte im Oberbergischen Kreis und im Kreis Rhein-Sieg ebenfalls hoch sein. Alle drei Kreise zusammen bilden nämlich den „Projektraum Bergisches RheinLand“, in dem Fördergelder vom Land Nordrhein-Westfalen, vom Bund oder von der Europäischen Union zu verteilen sind. Das stellt im Grunde das dar, was unter dem Begriff „Regionale 2025“ zusammengefasst ist: Ein Strukturförderprogramm. In Odenthal taucht der Begriff in der Öffentlichkeit auf, wenn Projekte im Rahmen der Regionale 2025 förderfähig sein könnten. Für den Qualifizierungsprozess entsprechender Ideen ist die Beauftragung solcher Konzepte wie das aktuelle ISEK „Entwicklungsachse Odenthal – Altenberg“ Bedingung. Sonst gibt es kein Geld.

2016 bewarben sich die drei genannten Kreise gemeinsam um das Strukturförderprogramm. 2017 erhielten sie den Zuschlag. Zur Verteilung der in Aussicht stehenden Fördergelder gründeten die drei Landräte Stephan Santelmann (CDU), Jochen Hagt (CDU) und Sebastian Schuster (CDU) als Gesellschafter umgehend eine eigene Organisation, die Regionale 2025 Agentur GmbH. Vierter Gesellschafter ist ein nicht gemeinnütziger Verein, der Region Köln/Bonn e. V., dessen Vorstandsvorsitzender, neben seinem Mandat als Landrat, Stephan Santelmann ist. Die beiden Landratskollegen sind ebenfalls Mitglieder des Vereinsvorstands. Weitere Vorstände sind unter anderem der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Köln, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Köln, der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Köln/Bonn, und der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Leverkusen, die in dem Gremium ihre jeweiligen Organisationen vertreten (Quelle: Website des Region Köln/Bonn e. V.). Mitglieder sind ebenfalls die Städte Köln, Bonn und Leverkusen (Quelle: Satzung des Region Köln/Bonn e. V.).

Der Verein möchte die Metropolregion Köln/Bonn weiterentwickeln. Der Rheinisch-Bergische Kreis – und damit auch Odenthal – ist in der Strategie des Vereins vorrangig dafür vorgesehen, die Flächen zur Gründung von Wohneigentum und für die Ansiedelung von Gewerbe bereitzustellen. In Köln ist der Platz dafür ausgegangen. Naherholungsgebiet, Wohn- und Pendlerland. Das soll der Speckgürtel von Köln sein.

Den jährlichen Mitgliedsbeitrag für den Verein hat Landrat Stephan Santelmann in seinem Haushaltsplanentwurf 2021 allein für den Rheinisch-Bergischen Kreis mit 114.166,62 Euro eingeplant. In der aktuellen Vereinssatzung heißt es dazu: „Die Mitglieder sind zur Entrichtung der von der Mitgliederversammlung in einer Beitragsordnung festgelegten Mitgliedsbeiträge und Umlagen verpflichtet. Die Kammern und die Sparkassen entrichten jeweils einen [in der Satzung unterstrichen] Beitrag, den sie untereinander aufteilen.“

Es ist nicht auf Anhieb klar, warum ein Verein mit einer solchen Mitglieder- und Vorstandsstruktur Mitgesellschafter eines Unternehmens mit beschränkter Haftung sein sollte, das ausschließlich dafür gegründet wurde, öffentliche Gelder im Bergischen Rheinland zu verteilen. Die Interessenschwerpunkte des Vereins liegen wohl außerhalb dieser Zone.

Trotz des erheblichen Rabatts beim Mitgliedsbeitrag ist der Einfluss der Geldinstitute und der Interessenverbände der privaten Unternehmen und Handwerksbetriebe der Region Köln/Bonn auf die Politik durch den Verein institutionalisiert. Die Rolle des Vereins in der Regionale 2025 Agentur GmbH wird personell dadurch unübersehbar, dass das geschäftsführende Vorstandsmitglied des Region Köln/Bonn e. V. gleichzeitig die Funktion des Geschäftsführers der Regionale 2025 Agentur GmbH übernommen hat.

Da es sich dabei in ihren Augen um eine Privatperson ohne politisches Mandat oder vergleichbare Verpflichtungen gegenüber der Öffentlichkeit handelt, erkundigte sich eine kleine Gruppe von Bürgern aus dem Rheinisch Bergischen Kreis bei Ihrem Landrat, dem Vereinsvorstand, und dem Gesellschafter Stephan Santelmann unlängst schriftlich nach den Gründen für diese Personalentscheidung. Die Fragesteller thematisierten die potentielle mittelbare Einflussnahme von Interessenverbänden und Geldinstituten auf die Fördermittelvergabe, und erwarteten eine nachvollziehbare Begründung für den vierten Mitgesellschafter der Agentur und für diese Personalie. Der Redaktion von Medienprojekt Odenthal liegt die bisherige Korrespondenz vor. Der Landrat hat sich trotz mehrfacher Erinnerungen und Aufforderungen dazu nicht geäußert.

Im August 2018 wurde die Geschäftsstelle der Regionale 2025 Agentur GmbH jedenfalls feierlich eröffnet. Der Betrieb der Geschäftsstelle verursacht direkte Kosten von über einer Million Euro pro Jahr. Für die ersten fünf Jahre zwischen 2018 und 2022 wurden die Gesamtkosten mit 5,45 Millionen veranschlagt. 2018 wurden 3,605 Millionen Euro dieser Gesamtkosten durch Fördermittel finanziert. 210.000 Euro hatte es bereits als Anschubhilfe für die Gründung der Gesellschaft gegeben. Die öffentlichen Mittel stammen aus dem Förderprogramm für Kleinere Städte und Gemeinden, die damit etwa 10 Prozent ihres Gesamtförderbudgets für 2018 von insgesamt 36,2 Millionen Euro der Agentur überlassen mussten. (Quelle: Sitzungsvorlage für die 16. Sitzung der Kommission für Regionalplanung und Strukturfragen des Regionalrates des Regierungsbezirks Köln am 31. August 2018). Der Gesamtförderbetrag wurde später auf 3,215 Millionen Euro nach unten korrigiert (Quelle: Sitzungsvorlage für die 18. Sitzung der Kommission für Regionalplanung und Strukturfragen des Regionalrates des Regierungsbezirks Köln am 01. Februar 2019).

Es ist nicht transparent, woher der nicht geförderte Anteil an den Betriebskosten für die Geschäftsstelle der Regionale 2025 Agentur GmbH kommt. Weiter ist nicht klar, ob das Unternehmen außer den Kosten für den Betrieb seiner Geschäftsstelle noch andere direkte Aufwendungen hat, und wer diese übernimmt. Klar ist jedoch, dass in der Verwaltung des Landrates Stephan Santelmann Ressourcen für die Mitwirkung bei den Prozessen der eigenen Agentur und des Vereins in nennenswertem Umfang zur Verfügung gestellt werden.

Die Gruppe, die sich dazu an ihn gewendet hatte, fasste dies zu der Frage zusammen, wie viel Euro es wohl unter diesen Voraussetzungen koste, einen Euro Fördergeld zu vergeben. Auch diese Frage wurde ihr bislang nicht beantwortet.

Der kritische Standpunkt gegenüber der Regionale 2025 Agentur GmbH begründet sich auch durch die Frage, welcher konkrete Gegenwert dem jährlich mutmaßlich deutlich über einer Million Euro liegenden Aufwand für den Betrieb der Organisation überhaupt gegenübergestellt werden kann. Die Fördermittel stellen Land, Bund oder die Europäische Union zur Verfügung. Die Gemeinden und Städte des Rheinisch-Bergischen Kreises, für die das Strukturförderprogramm eigentlich aufgelegt wurde, finanzieren und begleiten entsprechende Projekte selbst. Die Kosten, die nicht durch Förderung gedeckt sind, bestreiten Sie aus ihren eigenen Haushalten. Es sind also die Projekte der Gemeinden und Städte, auch wenn die Regionale 2025 Agentur GmbH sie präsentiert, als seien es ihre.

Der Teil, mit dem die Regionale 2025 Agentur GmbH durch Fördergelder finanziert wird, geht indirekt ebenfalls auf den Deckel der Gemeinden und Städte. Es handelt sich um öffentliche Mittel, die ihnen für ihre Strukturförderung nicht mehr zur Verfügung stehen. Den mittelbaren Aufwand in der Kreisverwaltung bezahlen sie letztlich mit ihren Umlagen auch. Der Beitrag der Städte und Gemeinden reicht künftig wohl nicht mehr aus. Landrat Stephan Santelmann hat für seinen Haushalt 2021 von den 8 Kommunen seines Kreises mehr Umlage gefordert, die unter anderem Odenthal als Mehrbelastung künftig aufbringen soll.

Die Regionale 2025 ist ein Strukturförderprogramm, um das sich der Rheinisch-Bergische Kreis mit zwei anderen beworben hat. Die Regionale 2025 Agentur GmbH ist nur die für notwendig befundene Bürokratie zur selektiven Verteilung der von Dritten bereitgestellten Fördermitteln an die Gemeinden und Städte. Die Agentur hat aber eben auch entscheidenden Einfluss darauf, welche Projekte in welchem Umfang gefördert werden. Es ist ein Schema der von der Regionale 2025 Agentur GmbH gepushten Projekte erkennbar: Sie stimmen mit den Zielen überein, die der Verein im Interesse Metropolregion Köln/Bonn in seinen Strategiepapieren vertritt.

Da nicht offensichtlich ist, welcher messbare Vorteil für die Allgemeinheit darin besteht, den Region Köln/Bonn e. V. als Mitgesellschafter mit Einfluss auf diese Prozesse auszustatten, muss sich Landrat Stephan Santelmann die Fragen der Bürger zu dieser Konstellation nicht nur gefallen lassen. Er sollte sie beantworten. Der persönliche Interessenkonflikt, den sich Landrat Stephan Santelmann mit dem Vorstandsvorsitz im Region Köln/Bonn e. V. selbst angetan hat, ist abgesehen davon eine weitere Erklärung wert. Denn er ist kein Metrolpol-, sondern ein in einem ländlichen Kreis gewählter Kommunalpolitiker, der den Auftrag hat, die Interessen seiner kleinen Städte und Gemeinden zu vertreten. So sieht es die vertikale Gewaltenteilung des föderativen oder bundesstaatlichen Systems für ihn vor.

Selbst, wenn der Landrat die politische Orientierung persönlich verloren haben sollte, ist dem Gemeinderat in Odenthal zu wünschen, dass er seine behält. Sie dürfte wohl darin bestehen, nur im Interesse der Odenthaler Gemeinschaft stehende Entscheidungen zu treffen. Das gilt umso mehr, je knapper das Budget ist. Das ist 2021 wohl der Fall. Das Geld wird noch knapper, wenn der Kreistag dem Landrat im März den Gefallen tut, die Kreisumlage zu erhöhen. Für die nächsten Jahre gibt es derzeit keinen Grund für positivere Prognosen.

Die Rät*innen und sachkundigen Bürger*innen in den Ausschüssen sollten sich also nicht mit finanziellen Anreizen oder Zwängen aus einer teilprivatisierten Förderbürokratie dazu verleiten lassen, Projekte zu beschließen, für deren Eigenanteil im Haushalt keine Mittel zur Verfügung stehen, oder die eigentlich außerkommunale Ziele verfolgen. Schon gar nicht, wenn sie die eigene Gemeinde letzten Endes belasten.

Ferner ist die Regionale 2025 ein Strukturförderprogramm, kein Wirtschaftsförderprogramm. Partikularinteressen von Investoren, die in Odenthaler Neubaugebieten und in der Gastronomie Geld angelegt haben, sollen selbstverständlich von Maßnahmen, die der Allgemeinheit dienen, auch Ihre individuellen Vorteile haben, wenn sich das ergibt. Das können durchaus steigende Miet- und Immobilienpreise oder höherer Umsatz durch mehr Ausflügler*innen und Tourist*innen sein. Wenn Interessen der Gemeinschaft, wie etwa bezahlbarer Wohnraum und Umwelt- und Klimaschutz allerdings in Frage gestellt werden, kann der Vorteil Einzelner nicht Grund genug sein, eine entsprechende Maßnahme zu planen und umzusetzen.

Das ISEK „Entwicklungsachse Odenthal – Altenberg“ hat die Gemeinde jedenfalls erst einmal 90.000 Euro gekostet (Quelle: besagtes ISEK). Der „point of no return“ dürfte damit aber bei Weitem nicht überschritten sein. Ein Gesamtvolumen von insgesamt etwa 20 Millionen Euro, davon allein eine Million Euro Planungskosten, lässt noch viel Raum für richtige und für falsche Entscheidungen.

Es ist ein Gesamtkonzept, bestehend aus vielen Teilprojekten. Jedes einzelne sollte daraufhin geprüft werden, ob mit seiner Umsetzung die Interessen der Odenthaler Gemeinschaft verfolgt werden. Wenn Sie der strukturellen Entwicklung Odenthals zugute kommen, sind sie nach dem Programm grundsätzlich mutmaßlich auch einzeln förderfähig. Ein „Alles oder Nichts“ wäre als Bedingung überraschend. Es könnte den Kommunen als Warnung dienen, dass solche Konzepte ein mit viel eigenem Geld gerufener Geist sind, den man trotzdem nicht mehr los wird. Falls die Regionale 2025 Agentur GmbH das anders sieht, sollten die Odenthaler Verantwortlichen nicht ihre kommunale Selbstverwaltung aufgeben, sondern den Mut aufbringen, ihr Recht auf Förderung von kleineren Projekten wenn nötig durchzusetzen.