„Bergisches e-Bike“ – erste Zahlen

In der Druckversion seiner Haushaltsrede vom Januar diesen Jahres gibt Landrat Stephan Santelmann (CDU) den Impuls für diesen Beitrag im Medienprojekt Odenthal: „Bereits Mitte des letzten Jahres haben wir unser „Bergisches e-Bike“, ein Pedelec-Verleihsystem in allen Kommunen, an den jeweiligen Mobilstationen in Betrieb genommen werden. Und dies erfolgreich! Von Juli bis November haben sich bereits über 2.500 Nutzer registriert und über 6.800 Mal ein „Bergisches e-Bike“ ausgeliehen.“

Sachlich bedeutet ein Erfolg von „Bergisches e-Bike“, dass es sich um eine wirksame Maßnahme für mehr Mobilität einerseits und für den Klimaschutz andererseits handelt. Das wünschen sich alle. Politisch bedeutet er für Stephan Santelmann einen persönlichen Erfolg. Da er die gute Nachricht in seiner Rede mit Zahlen belegt, fällt es leicht, sich der positiven Bewertung spontan anzuschließen.

Damit Bürger*innen am Diskurs zu prägenden Themen überhaupt teilnehmen können, ist Transparenz und Sachlichkeit bei der Bewertung der Lage unbedingt erforderlich. Um eine eigene Position zum Stand der Dinge bei der Mobilität und vor allem beim Klimaschutz bilden und einnehmen zu können, ist es notwendig, Dinge nüchtern zu hinterfragen. Medienprojekt Odenthal möchte seinen Leser*innen aus diesen Gründen zur Darstellung des Status Quo von „Bergisches e-Bike“ eine sachliche Alternative anbieten. Dafür steht zur Verfügung, was der Landrat an Informationen angeboten hat: Juli bis November – 2.500 – 6.800 – erfolgreich!.

„Bergisches e-Bike“ ist ein Netz von Stellen im Rheinisch-Bergischen Kreis, an denen kostenpflichtig geliehene Pedelecs entnommen oder abgestellt werden können. Sie sind ein Element der sogenannten Mobilstationen, an denen Umstiegsmöglichkeiten auf andere, möglichst umweltfreundliche Transportmittel zur Verfügung stehen. Die Leihgebühren sind Umsatz für ein privates Unternehmen. Für die Benutzung ist eine einmalige Registrierung erforderlich.

Auf der Webseite des Rheinisch-Bergischen Kreises erfährt man, dass in allen acht Städten und Gemeinden des Kreises das Angebot gemacht wird. Es handelt sich gemäß der Angaben insgesamt um 81 Pedelecs, die sich auf zehn feste Stationen und weitere zwanzig virtuelle Stationen im Kreis verteilen.

Die vom Landrat in seiner Rede angeführten 2.500 Nutzer sind als Ergebnis dieser Registrierung zu verstehen. Der auf der Webseite des Rheinisch-Bergischen Kreises dargestellten Statistik zur Bevölkerungsstruktur des Kreises ist zu entnehmen, dass 170.158 Personen zwischen 18 und 64 Jahre alt sind. Sie können hier einmal für die grobe Analyse als potentielle Nutzer*innen-Gruppe der Leih-Pedelecs angenommen werden. Nur knapp 1,5 Prozent dieser Zielgruppe hat demnach in den genannten fünf Monaten auf Basis von 6.800 Leihvorgängen durchschnittlich circa 2,7 Mal ein Pedelec ausgeliehen – in fünf Monaten.

Diese tatsächlich geringe Beteiligung der Bevölkerung muss zusätzlich noch relativiert werden:

Dem konzeptionellen Mobilitätsziel dienen nur die notwendigen Fahrten, bei denen das geliehene Pedelec das einzige Fortbewegungsmittel war, oder zur Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln eingesetzt wurde.

Dem Klimaschutzziel sind davon nur die Fahrten mit einem Leih-Pedelec zuzuschreiben, die tatsächlich eine Fahrt mit einem emittierenden Fahrzeug ersetzt haben. Sämtliche Fahrten, die nicht notwendig waren, haben insgesamt negative Umweltauswirkungen. Sie dienen der individuellen Freizeitgestaltung oder fördern den Tourismus. Beides sind keine konzeptionellen Zielsetzungen und gehen zulasten des Klimas.

Es ist anzunehmen, dass ein relevanter Teil der insgesamt irrelevanten Anzahl von Fahrten keinem der eigentlichen konzeptionellen Ziele von „Bergisches e-Bike“ diente. Zweifel sind angebracht, ob die Umwelt- und Klimabilanz von „Bergisches e-Bike“ bisher insgesamt überhaupt positiv war. Eine objektive Bewertung ist ohne entsprechendes Zahlenmaterial allerdings nicht möglich.

Ohne weitere Daten lässt sich auch nicht objektiv bewerten, was zu der schwachen Quote führt. Die Politik sollte es sich nicht so einfach machen, der Bevölkerung vorzuwerfen, ein gutes Angebot nicht anzunehmen. Vielleicht ist es keins. Medienprojekt Odenthal hat auf eine Neigung zur pauschalen Schuldzuweisung in Richtung Bürger*innen im Beitrag über die Mitfahrerbank schon einmal Bezug genommen.

Objektiv ist allerdings, dass Landrat Stephan Santelmann der Erfolg, den er sich und seiner Maßnahme zur Verbesserung der Mobilität und des Klimaschutzes in seinem Kreis selbst zuerkannt hat, abgesprochen werden kann. Sie ist bisher sehr wahrscheinlich hinsichtlich der Mobilitätsziele nicht spürbar und für die Klimaschutzziele im schlimmsten Fall kontraproduktiv.