Beiträge für den Straßenbau

In der Sitzung des Ausschusses für Infrastruktur, Verkehr und Vergabe ging es am 3. Februar 2021 unter anderem um die Sanierung verschiedener Straßen in Odenthal. In der debattierten Liste der geplanten Projekte weist die St.-Engelbert-Straße in Voiswinkel einige Besonderheiten auf.

Grundsätzlich bietet das Kommunalabgabengesetz den Gemeinden die Möglichkeit, Beiträge für straßenbauliche Maßnahmen bei Anlieger*innen zu erheben. Konkretisiert wird das Verfahren im Ortsrecht durch eine individuelle Satzung. Zum Verständnis sollen hier einige wesentliche Elemente der Satzung genannt und erläutert werden. Für die verbindliche Einzelfallbetrachtung sollten aber unbedingt alle notwendigen Details der jeweils gültigen Fassung der Satzung entnommen werden. Sie ist auf der Website der Gemeinde verfügbar.

Gemeinde und Beitragspflichtige teilen sich den tatsächlichen Aufwand für den Straßenbau. Abgerechnet wird nach Abschluss der Arbeiten. Die derzeit von der Verwaltung angenommenen Kosten sind also nicht verbindlich. Sie belaufen sich auf insgesamt 1.785.000 Euro. In der Sitzungsvorlage gibt die Verwaltung den Anteil der betroffenen Bürger*innen mit 30 Prozent an, also 535.500 Euro. Die Gemeinde hätte demnach den restlichen Aufwand in Höhe von 1.249.500 Euro zu tragen. Ein aktuelles Förderprogramm des Ministeriums für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen ermöglicht die Förderung des Gemeindeanteils bis zu 80 Prozent. Voraussetzung ist, dass es sich um eine verkehrswichtige Straße handelt. Das ist die St.-Engelbert-Straße zur Zeit formal nicht.

Die Änderung des Flächennutzungsplans ist erforderlich, um aus der jetzigen Haupterschließungsstraße (Quelle: Begründung zur 31. Änderung des Flächennutzungsplans) einen künftigen Hauptverkehrszug beziehungsweise eine Hauptverkehrsstraße zu machen. Dieses Verfahren läuft zuständigkeitshalber parallel im Ausschuss für Planen und Bauen. In seiner Sitzung am 4. Februar 2021 hat der Ausschuss für dieses Bauleitplanverfahren die reguläre Offenlage beschlossen. Die ist Teil eines gesetzlich geregelten Prozesses. In der Zeit der regulären Offenlage der Planungsunterlagen können sich die Öffentlichkeit, die zuständigen Behörden und die sonstigen Träger öffentlicher Belange mit ihren Stellungnahmen zu dem Vorhaben äußern. Die im Zuge dessen abgegebenen Anregungen und Bedenken werden gesammelt, bewertet und abgewogen. Das führt am Ende dazu, dass die Änderung des Flächennutzungsplanes durch Beschluss des Gemeinderates erfolgt, oder abgelehnt wird.

Geschieht dies im Fall der St.-Engelbert-Straße, übernimmt also das Land Nordrhein-Westfalen 999.600 Euro des Gemeindeanteils, von dem danach noch 249.900 Euro als Belastung für den Gemeindehaushalt übrig bleiben. Das ist nach bisheriger Lage der Dinge etwas weniger als die Hälfte der Summe, die von den betroffenen Bürger*innen zusammen aufgebracht werden muss. Die Beteiligung am Aufwand unterscheidet sich aufgrund verschiedener Straßenarten. Sie ist für die Fahrbahn laut der Satzungstabelle bei Anliegerstraßen 50 Prozent, bei Haupterschließungsstraßen 30 Prozent und bei Hauptverkehrsstraßen 10 Prozent. Die Angabe von 30 Prozent Beteiligung lässt also darauf schließen, dass die Verwaltung die St.-Engelbert-Straße zur Berechnung des Bürgeranteils nach der Änderung des Flächennutzungsplans als Haupterschließungsstraße wertet. Die Änderung des Flächennutzungsplans dient jedoch dem Zweck, sie zur Hauptverkehrsstraße zu machen. Hierdurch kommt die Gemeinde in den Genuss der 80-prozentigen Förderung, hat dabei aber scheinbar übersehen, dass der Anteil der Anlieger am Aufwand für die Fahrbahn hierdurch auf 10 Prozent reduziert wird. Hierdurch verändert sich die Verteilung für die Beitragspflichtigen signifikant zu ihren Gunsten. Aus 535.500 Euro Belastung werden 178.500 Euro, also minus 67 Prozent. Das Land würde vom Gemeindeanteil 1.285.200 Euro übernehmen, die Gemeinde 321.300 Euro statt 249.900 Euro, also plus 29 Prozent. „Wir gehen davon aus, dass die Gemeinde diese Mehrbelastung der Bürger*innen schnellstens korrigiert“, erwartet Moritz Künstner, einer der beitragspflichtigen Grundstücksbesitzer in der St.-Engelbert-Straße. „Außerdem müssen die Werte noch entsprechend der Satzung differenziert werden, damit die Betroffenen ihre jeweiligen Anteile so früh und so genau wie möglich ermitteln können.“

Die 30 Prozent, beziehungsweise die nach einer erfolgten Korrektur dann 10 Prozent, gelten als Anteil für die Fahrbahn. In der Satzung sind für die verschiedenen Elemente des Straßenbaus teils unterschiedliche Prozentwerte angegeben. Bei Hauptverkehrsstraßen wären das für einen Gehweg einschließlich Sicherheitsstreifen ebenfalls 10 Prozent, für einen einfachen Gehweg 50 Prozent, oder für Parkflächen 50 Prozent. Das Ganze muss noch auf der Basis von unterschiedlichen anrechenbaren Breiten und unterschiedlichen Abschnittsmaßen entsprechend einer detaillierten Planung präzisiert werden. Hinzu kommen noch Berechnungsfaktoren aus der Satzung, die sich aus der individuellen Bebaubarkeit der Grundstücke ergeben. „Für uns als betroffene Anlieger ist das bisher nicht zu überblicken“, urteilt Moritz Künstner. „Wir würden auch gerne wissen, ob es zu dem gewählten Förderprogramm Alternativen gibt, die die Bürger*innen besser stellen. Oder ob es Alternativen zum Umfang des geplanten Ausbaus der Straße gibt.“

Die Darstellung der Verwaltung ist mit einem einzigen Prozentwert daher ein erster grober Anhaltspunkt. Hinzu kommt, dass sie angibt, die Kosten würden sich pro Jahr um sechs Prozent erhöhen. Die Abrechnung, und damit die Erhebung der Beiträge, ist laut dem Zeitplan für 2023 vorgesehen. Die Arbeiten sollen sich auf die Jahre 2022 und 2023 verteilen. „Also reden wir aufgrund der erwarteten jährlichen Kostensteigerung statt von 178.500 Euro nach meinen Berechnungen über irgendetwas zwischen 190.000 Euro und 200.000 Euro für alle. Die Information der Betroffenen soll ja noch erfolgen. Genaue Zahlen sind für die individuelle Planungen ebenso wichtig wie verbindliche Aussagen zum Erhebungszeitpunkt. Wir müssen auch wissen, ob von uns Vorausleistungen erwartet werden“, meint Moritz Künstner und ergänzt: „Wir brauchen eine Absicherung gegen davonlaufende Kosten. Die Gemeinde muss zum Beispiel über eine Deckelung mit sich reden lassen.“

Isabelle Dederichs ist voraussichtlich nicht beitragspflichtig. Als mittelbar betroffene Anwohnerin verfolgt sie aber dennoch aufmerksam die Änderung des Flächennutzungsplans für die künftige Hauptverkehrsstraße. „Ich wundere mich schon, dass in einem Ausschuss die Verwaltung beauftragt wird, die Planungen für die St.-Engelbert-Straße unverzüglich voranzutreiben und sogar Planungsleistungen schon konkret zu beauftragen, während in einem anderen Ausschuss einen Tag später erst die reguläre Offenlage für die Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen wird. Wenn die Politik so dokumentiert, dass die Öffentlichkeit im Rahmen ihrer Beteiligung die Pläne sowieso nicht mehr durchkreuzen kann, ist sie nicht wirklich an den Anregungen und Bedenken aus der Bürgerschaft interessiert. Gelebte Demokratie sieht für mich anders aus.“

In der Begründung für die Änderung des Flächennutzungsplans erläutert die Verwaltung: „Mit der Änderung des Flächennutzungsplanes verfolgt die Gemeinde Odenthal das Ziel, der zwischenzeitlich erfolgten städtebaulichen Entwicklung (Nutzung der Fläche als Hauptverkehrsstraße mit entsprechender Verbindungs- und Erschließungsfunktion) mit der planungsrechtlichen Anpassung Rechnung zu tragen“. Damit würde nur ein überfälliger formaler Akt nachgeholt. An anderer Stelle der Begründung wird jedoch ein in die Zukunft gerichteter Aspekt eingebracht: „Der wirksame Flächennutzungsplan der Gemeinde Odenthal stellt für den Geltungsbereich „gemischte Baufläche und Wohnbaufläche“ dar. Die Darstellung des Flächennutzungsplans entspricht nicht der derzeitigen Nutzung sowie den künftigen städtebaulichen Zielsetzungen für diesen Bereich.“

„Was sind das für künftige städtebauliche Zielsetzungen?“, möchte Isabelle Dederichs wissen. „Soll die St.-Engelbert-Straße mal fit gemacht werden für Neu- oder Umbauprojekte, die hier nicht näher beschrieben werden? Um eine Stellungnahme zur Änderung des Flächennutzungsplans abgeben zu können, ist das aber eine relevante Information für die Öffentlichkeit, die sich beteiligen will. Hierzu sollte die Gemeinde sich noch vor der Offenlage verbindlich positionieren. Wird die Straße für die Gegenwart oder für die Zukunft ausgebaut? Außerdem muss jedem klar sein, dass die Änderung zur Hauptverkehrsstraße diverse andere Probleme mit sich bringt, zum Beispiel ein noch höheres Verkehrsaufkommen, insbesondere mit Durchgangsverkehr, dadurch zusätzlichen Verkehrslärm und zusätzliche Luftverschmutzung.“

Die Erhebung von Beiträgen ist sicher auch für die Gemeinden ein schwieriges Thema. Die Argumentation gegenüber den Beitragspflichtigen fällt vermutlich umso leichter, je objektiver die Notwendigkeit der Maßnahmen dargestellt werden kann. Im Fall der St.-Engelbert-Straße hat die Verwaltung ihre sachlichen Gründe in der Ausschusssitzung auch noch einmal dargelegt. Auf die Nachfrage aus dem Plenum, ob der Bedarf nicht beispielsweise auch bei der Küchenberger Straße in ähnlicher Weise gegeben wäre, erklärte die Verwaltung in der Sitzung, das sei im Prinzip so. Dort fehlten jedoch ausreichende Möglichkeiten der Beitragserhebung bei den Anliegern. Man habe die Küchenberger Straße deshalb zurückgestellt, weil der Gemeindeanteil unter diesen Bedingungen über einer Million Euro liegen würde. Damit setzt sich die Verwaltung zumindest dem moralischen Vorwurf aus, Sanierungsmaßnahmen in Einzelfällen dann letzten Endes doch allein von der eigenen Kassenlage abhängig zu machen.

Hinweis: Alle in diesem Beitrag genannten und errechneten Zahlen sind ohne Gewähr.