„Biotop“? Biotop!

Die Verwaltung der Gemeinde Odenthal hat den im Zentrum Odenthals geplanten P&R-Parkplatz auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung am 23. März 2021 gesetzt. Es sollen die finalen Beschlüsse zur Änderung des Flächennutzungsplans und zur Aufstellung des Bebauungsplans gefasst werden. Problem: Die für zirka fünfzig Stellplätze ausgelegte Parkfläche bedroht nach Einschätzung der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde des Rheinisch-Bergischen Kreises ein gesetzlich geschütztes Biotop. Vorausgegangen war dann auch die Ablehnung des Projektes an der Bergisch Gladbacher Straße durch den Ausschuss für Planen und Bauen am 4. Februar 2021. Bei 6 Stimmen der CDU und 2 Stimmen der SPD für das Vorhaben, und 6 Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und 2 Stimmen der FDP dagegen, sorgte eine Enthaltung eines SPD-Ausschuss-Mitglieds für ein Patt. Hierdurch fehlte der vorgelegten Planung die erforderliche Mehrheit. Dem Gemeinderat liegt damit die Empfehlung des Fachausschusses vor, die für den Bau des Parkplatzes erforderliche Änderung des Flächennutzungsplans und den entsprechenden Bebauungsplan nicht zu beschließen.

Der Bürgermeister und die Fraktion der Odenthaler CDU halten an der Umsetzung des Vorhabens fest. Für den P&R-Parkplatz mit angeschlossenem Kreisverkehr hat die Odenthaler Verwaltung einen Förderantrag schon lange gestellt und den Zuwendungsbescheid bereits erhalten, während das Bauleitplanverfahren noch längst nicht abgeschlossen war. Erneut handelt es sich um ein Parallelverfahren, in dem der Flächennutzungsplan geändert, und gleichzeitig ein Bebauungsplan aufgestellt werden sollen. Dabei sind Kosten für die Planung und für Gutachten angefallen. Im Beitrag „Die Grenzen der freien Entscheidung“ hat das Medienprojekt Odenthal anhand eines anderen Beispiels die Problematik dargestellt, die entsteht, wenn während des noch laufenden, und bis zum Schluss ergebnisoffenen Bauleitplanverfahrens der erhoffte Ausgang im Handeln der Gemeinden vorweggenommen wird.

In der Vorlage zur bevorstehenden Ratssitzung gibt die Verwaltung prompt „zu bedenken, dass mit Aufgabe des Verfahrens, bisherige Planungskosten in Höhe von ca. 80.000 € entstanden sind, die nicht gefördert werden bzw. bereits gewährte Zuwendungen entsprechend zurückgezahlt werden müssen. In den Kosten enthalten sind die Entwurfsplanung der Verkehrsanlagen, die Vermessungsarbeiten und die Erstellung der erforderlichen Gutachten im Rahmen des Bauleitplanverfahrens.“ Die Suggestion darin ist: Wer gegen das Projekt stimmt, ist für einen finanziellen Schaden der Gemeinde verantwortlich. Parallelen zu der letzten Phase der Bauleitplanung für die Ponywiese (Dhünner Wiese) sind unübersehbar.

Es sollte erwähnt werden, dass der Rheinisch-Bergische Kreis der Gemeinde in seiner Stellungnahme zum geplanten P&R-Parkplatz vom Dezember 2020 ebenfalls etwas zu bedenken gab: „Als gesetzlich geschütztes Biotop wird unzutreffender Weise nur das Gewässer dargestellt. Allerdings erfüllt der kartierte Eschen-Erlen-Auwald vollumfänglich die Kriterien eines gesetzlich geschützten Biotops. Dies wurde im Vorfeld seitens der Unteren Naturschutzbehörde mehrfach an die Gemeindeverwaltung und dem Fachplaner kommuniziert.“

Die Gemeinde wurde auch noch einmal auf die Niederschrift zur Sitzung des Naturschutzbeirates bei der unteren Naturschutzbehörde des Rheinisch-Bergischen Kreises am 05.09.2019 hingewiesen. Darin heißt es: „Nach Inaugenscheinnahme der maßgeblichen Fläche und Erläuterungen durch Herrn […] von der Gemeinde Odenthal beurteilt der Naturschutzbeirat die Anlage eines Park&Ride Platzes an diesem Standort äußerst kritisch.“ Und: „Im Ergebnis erhebt der Naturschutzbeirat einvernehmlich erhebliche Bedenken gegen den geplanten Park&Ride-Parkplatz auf dem äußerst schützenswerten Waldgelände“.

Nun sind zwar seitdem Anpassungen an der Planung vorgenommen worden. Alle in diesem Beitrag zitierten Bedenken der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises betreffen jedoch die aktuelle Planung. Die entsprechenden Stellungnahmen datieren laut den Angaben der Verwaltung vom Dezember 2020. Die Veränderungen hinsichtlich der Anzahl oder der Lage der Stellplätze scheinen die Bedenken demnach nicht ausgeräumt zu haben. Der Kreis führt weiter aus: „Bei der Umsetzung der Planung in dem beziehungsweise unmittelbar an dem gesetzlich geschützten Biotop ist aufgrund des nassen Wasserhaushaltes und der Empfindlichkeit der Standorte mit erheblichen Beeinträchtigungen der Vegetation, des Bodens und der Lebensgemeinschaften zu rechnen. Diese erheblichen Beeinträchtigungen hätten die Zerstörung Teile des gesetzlich geschützten Biotopes zur Folge und würden der Bestimmung des § 30 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz widersprechen“.

Die Verwaltung der Gemeinde Odenthal zog es jedoch vor, die Ansicht zu vertreten, die Bedenken seien unbegründet: „Eine Beeinträchtigung des gesetzlich geschützten Biotops liegt mit der vorliegenden Planung aus gutachterlicher und planerischer Sicht nicht vor“.

Das wirft auf die Frage, wer für einen am Ende eintretenden finanziellen Verlust bei einer Aufgabe des Verfahrens verantwortlich wäre, ein anderes Licht. War in dieser Lage die Erfolgswahrscheinlichkeit groß genug, ein finanzielles Risiko mit einer Planung einzugehen, die nach der offensichtlich seit Langem bekannten Einschätzung der zuständigen Behörde ein gesetzlich geschütztes Biotop gefährdet? Den Plan entgegen der eindeutig ablehnenden Haltung der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises dennoch weiter zu verfolgen, war wohl eine bewusste Entscheidung des Rathauses in Odenthal.

Die zuständige Behörde wählte doch immerhin deutliche Worte: „Weiterhin bestehen erhebliche Bedenken gegen die Zerstörung und erhebliche Beeinträchtigung des gesetzlich geschützten Biotops. Diesbezüglich erfolgt der Hinweis darauf, dass der gesetzliche Biotopschutz nicht der planerischen Abwägung unterliegt, da die Verbote des gesetzlichen Biotopschutzes an tatsächliche Handlungen anknüpfen. Da die Errichtung Teile der Parkplatzflächen nur unter Verletzung von Verboten des gesetzlichen Biotopschutzes umzusetzen wären, entspräche der Plan demnach nicht den Anforderungen der Erforderlichkeit. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die mit dieser Planung verbundenen Beeinträchtigungen des gesetzlich geschützten Biotops kaum ausgleichbar wären. Demnach könnte die Erteilung einer Ausnahme nach § 30 Abs. 3 BNatSchG derzeit nicht in Aussicht gestellt werden. Demzufolge kann es im weiteren Verfahren nach wie vor zu schwer überwindbaren Hürden kommen.“

Die Verwaltung stellte dieser Position einfach eine andere Meinung gegenüber: „Im Ergebnis wird festgestellt, dass das geschützte Biotop von der Planung nicht betroffen bzw. durch den geplanten Standort der P&R-Anlage nicht berührt ist, der Bestimmung des § 30 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz mit der vorliegenden Planung nicht widersprochen wird und damit die Umsetzung der Maßnahme weiter verfolgt wird.“

(Quelle: „Bericht über die Offenlage mit Stellungnahme der Verwaltung zur Berücksichtigung der Einwende im Planverfahren, Tabelle 1: Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gem. § 4 Abs. 2 BauGB (Offenlage) vom 16.11. – 18.12.2020“ aus den Unterlagen der Sitzung des Ausschusses für Planen und Bauen am 4.2.2021)

Auch die Odenthaler CDU versteht den Parkplatz an der geplanten Stelle weiterhin als einmalige Gelegenheit. Sie informiert auf ihrer Website „der Vollständigkeit halber“ darüber, „dass das in Rede stehende sumpfige Areal nicht „historisch gewachsen“ ist“. „Es entstand“, erklärt sie weiter, „als seinerzeit der Ausbau der Bergisch-Gladbacher-Straße erfolgte. Die Entstehung dieser Straße, die höher liegt als das Gelände, wirkte hier wie ein „Damm“ und verhinderte das Abfließen von Feuchtigkeit. So entstand das heutige „Biotop“.“

Das „Biotop“ wird in Anführungszeichen gesetzt, als handele es sich nicht um ein „richtiges“ Biotop. Das Kriterium „historisch gewachsen“ ist im Zusammenhang mit der Bewertung von Biotopen im Übrigen nicht verbreitet. Es gibt beispielsweise bei der Suche in 355 Seiten „Biotop- und Lebensraumtypenkatalog inkl. Erhaltungszustandsbewertung von FFH-Lebensraumtypen, Stand: April 2019“ bei der Suche keinen Treffer für den Begriff. „Historisch gewachsen“ bedeutet außerdem üblicherweise nur, dass etwas in der Vergangenheit über einen unbestimmten Zeitraum entstanden ist. Das dürfte auch hier der Fall sein. Ein bestimmtes Mindestalter oder ein bestimmter Mindestentstehungszeitraum als Qualifizierungsmerkmale werden offiziell nicht verlangt.

Nach dieser doch eher subjektiven Relativierung des Biotops kommt die CDU zu dem Schluss: „Nach Abwägung ALLER Aspekte gibt es aus unserer Sicht kein Gelände, was besser geeignet ist“. Aber: Hatte die zuständige Behörde nicht klar gemacht, dass „der gesetzliche Biotopschutz nicht der planerischen Abwägung unterliegt“?

Dieser Punkt könnte spätestens in der nächsten Sitzung des Gemeinderates tatsächlich relevant werden. Die Verwaltung hat die planerische Abwägung als Bestandteil eines Bauleitplanverfahrens in der Tagesordnung konkret vorgesehen. Auf die Möglichkeit eines potentiellen Konflikts mit der Abwägungseinschränkung der Unteren Naturschutzbehörde wird in der Vorlage von der Verwaltung nicht explizit hingewiesen.

Der Rat könnte sich diese Problematik aber eventuell gleich ganz ersparen, indem er die vorgesehene Reihenfolge der Beschlüsse ändert. Wenn der Gemeinderat nämlich dem ebenfalls für die nächste Sitzung gemachten Beschlussvorschlag „e)“ folgen, und „die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses zur 26. Änderung des Flächennutzungsplans sowie zum Bebauungsplan Nr. 81 – P&R Odenthal vom 13.09.2018 …“ zuerst beschließen würde, wäre das Bauleitplanverfahren wohl einfach vorzeitig zu Ende.

Bündnis 90/Die Grünen hatten bereits für den Haupt- und Finanzausschuss am 9. März 2021 einen Antrag vorgelegt. Er enthielt den Vorschlag, zwei alternative Planungsansätze für einen P&R-Parkplatz zu verfolgen, und nach dementsprechenden Fördermöglichkeiten zu suchen. In dieser Ausschusssitzung war der Antrag in die Haushaltsdebatte geraten, obwohl er zunächst ein separater Tagesordnungspunkt war. Er wurde kurz diskutiert. Man einigte sich, den Punkt in die nächste Gemeinderatssitzung zu schieben. Der Antrag ist jedoch zumindest in der von der Verwaltung aufgestellten Tagesordnung für die Gemeinderatssitzung am nächsten Dienstag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrages noch nicht angekommen.