Bündnis 90/Die Grünen stellten am 12. April 2021 den Antrag, für Odenthal ein Verzeichnis der Kompensations- und Ausgleichsmaßnahmen im Gemeindegebiet zu schaffen. Darin sollen die Flächen und die Maßnahmen enthalten sein, mit denen Eingriffe in die Natur an einer Stelle des Gemeindegebietes an anderer Stelle kompensiert werden. In der Regel wird die Notwendigkeit durch Bauvorhaben entstehen und in der Vergangenheit entstanden sein. Für die Versiegelung von Flächen und anderen negativen Auswirkungen werden meist auf der Basis eines Punktesystems Möglichkeiten beschrieben, den bezifferbaren Nachteil auszugleichen. Diese Maßnahmen sind dann verbindlicher Bestandteil der Bauleitplanung.
Das hat zunächst zur logischen Konsequenz, dass solche Ausgleichsflächen als künftiges Bauland ausscheiden. Darüber hinaus kann es für die anderweitige Nutzung dieser Flächen Auflagen geben. Etwa mag für eine landwirtschaftlich genutzte Fläche verfügt werden, dass sie nicht mehr mit chemisch-synthetischen Produkten gedüngt, oder keine Gülle, Jauche oder Mist darauf ausgebracht werden darf. Die Antragsteller geben als weiteres Beispiel das Anlegen von Streuobstbaumbeständen an. Einzelne dieser Maßnahmen können zeitlich befristet sein.
In einer öffentlich zugänglichen Dokumentation sollen künftig nicht nur die Flächen und die für sie zusätzlich festgeschriebenen Maßnahmen erfasst sein. Deren tatsächliche Umsetzung und ihr Fortbestand sollen regelmäßig kontrolliert und dokumentiert werden. Das Ergebnis davon wird nach den Vorstellungen der Einreicher*innen des Antrages Bestandteil einer regelmäßigen Berichterstattung durch die Verwaltung.
Eine kontroverse politische Debatte über diesen Antrag im zuständigen Ausschuss für Planen und Bauen am 6. Mai 2021 wäre sicher eine Überraschung. Der Sinn und die Erfordernis einer solchen Übersicht ist wohl nicht zu bestreiten, die gleichzeitig geforderte Transparenz für die Öffentlichkeit zusätzlich zu begrüßen.
Ohne die Initiative von Bündnis 90/Die Grünen zu reduzieren, beschleicht allerdings früher oder später vermutlich Viele die Frage, warum ein solcher Antrag gebraucht wird. Die entsprechende Vorlage der Verwaltung zu diesem Tagesordnungspunkt der bevorstehenden Sitzung durchstöbert man schon fast in der Hoffnung, darin den Hinweis zu finden, dass dieses wichtige Verzeichnis so oder so ähnlich bereits seit vielen Jahren existiert. Falls ja, könnte es vielleicht nur noch darum gehen, einen einfachen Weg der Veröffentlichung zu finden. Die Relevanz der tatsächlichen Umsetzung und der Kontrolle von verbindlichen Ausgleichsmaßnahmen sollte für eine verantwortungsvolle Bauleitplanung nicht in Frage stehen.
Jedoch ist dort zu lesen, dass „unabhängig vom Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen […] die Verwaltung bereits im Jahre 2020 intern vorgeschlagen [hatte], eine solche Liste zu erstellen, um einen Überblick über bestehende und noch ausstehende ökologische Ausgleichsmaßnahmen zu erhalten. Aufgrund von personellen Engpässen ist diese Liste bisher noch nicht erstellt worden.“ Es gibt als kein Verzeichnis im Rathaus, und, bei naheliegender Interpretation der zuvor zitierten Aussage, auch keinen Überblick.
Die Verwaltung führt weiter aus: „Die Untere Naturschutzbehörde […] führt seit einigen Jahren ein Kataster für Umsetzungs- und Ausgleichsflächen. […] Diese Daten sollten jedoch nur intern und nicht öffentlich zur Verfügung stehen. […] Für die fachliche Diskussion des Themas sollten die Kommunen die zuständigen Mitarbeiter ihres Hauses melden (ist bereits geschehen), damit ein gemeinsamer Termin geplant werden kann, in dem das PRO und KONTRA einer gemeinsamen Vorgehensweise ausgetauscht werden kann. Aufgrund der Corona-Pandemie ist dieser Termin bisher leider nicht zustande gekommen. Die Verwaltung unterstützt die Bildung einer fachlich besetzten Arbeitsgruppe „Ausgleichsflächen“ und im Hinblick auf den v.g. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Anlegung eines Verzeichnisses der Kompensationsmaßnahmen.“
Und irgendwie hatte sich bei der Lektüre schon eine bestimmte Erwartung aufgebaut, die von der Verwaltung abschließend erfüllt wird: „Gleichzeitig weist die Verwaltung jedoch darauf hin, mit den vorhandenen Personalkapazitäten die in diesem Zusammenhang anstehenden Arbeiten (Recherche, Karten- und Listenerfassung, Bestandserfassung, Digitalisierung) aufgrund derzeit anstehender umfangreicher Arbeiten im Bauamt nicht zeitnah erledigen zu können. Überschlägig ergibt sich ein Arbeitsaufwand von 1 Jahr bzw. ca. 1.600 Arbeitsstunden (gerechnet bei ca. 40 Bebauungsplänen und einem Zeitaufwand von ca. 40 Std. pro Plan). Denkbar wäre die temporäre Einstellung einer entsprechenden Fachkraft.“
Die Berücksichtigung beziehungsweise die Prüfung der Ausgleichsflächen sollte seit vielen Jahren in den Routinen einer sorgfältigen Bauleitplanung fester Bestandteil sein. Einerseits, um zu vermeiden, dass ein Bauvorhaben versehentlich auf einer Ausgleichsfläche eines früheren Bauvorhabens geplant wird. Andererseits um die erforderliche und in den Gremien beschlossene Kompensation sicherzustellen. Die Idee einer solchen Liste schon gehabt zu haben, befreit die Verwaltung von einem Vorwurf nicht, denn sie hatte sie unter diesem Aspekt nicht „bereits im Jahre 2020“, sondern erst im Jahre 2020.
Natürlich haftet jeder Kritik daran, dass Andere einen Personalmangel beklagen, an, dass es schwer ist, eine personelle Situation von außen wirklich beurteilen zu können. Dennoch darf der hier ins Feld geführte Zeitaufwand der Verwaltung für eine Umsetzung des Antrages sachlich in Frage gestellt werden. Zunächst hat sie selbst eingeräumt, dass der Kreis ein entsprechendes Kataster führt. Eine Datenbasis ist also vorhanden, was die Recherche in den eigenen Akten vereinfacht, wenn sie nicht ohnehin bereits ausreichend sein sollte. Eine digitale Lösung, wie sie eventuell später auf kommunaler Ebene zustande kommen könnte, wird im vorliegenden Antrag zudem nicht gefordert.
Nimmt man das Beispiel der Ausgleichsmaßnahme für das Bauvorhaben Ponywiese (Dhünner Wiese), das Bündnis 90/Die Grünen ihrem Antrag zur Veranschaulichung beigefügt haben, ist auch schwer vorstellbar, wie jemand eine ganze Arbeitswoche benötigen sollte, um sie in das gewünschte Verzeichnis aufzunehmen. Die detaillierte Darstellung der erwähnten Ausgleichsmaßnahme ist zum Beispiel Teil des gut strukturierten städtebaulichen Vertrages. Um sie darin zu finden, genügt ein Blick in das Inhaltsverzeichnis. Im entsprechenden Kapitel stellt ein Gutachter die gesamte Maßnahme zusammenhängend dar. Die angedeuteten fachlichen Anforderungen an diese Arbeit lassen sich vielleicht auch noch einmal überdenken. Ein Bedarf, reflexartig Vermutungen entgegenwirken zu müssen, in der Verwaltung gäbe es überschüssige personelle Kapazitäten, ist nicht zu sehen. In der Vergangenheit gab es diesbezügliche Andeutungen oder sogar konkrete Vorwürfe nicht.
Der eingebrachte Antrag hat vermutlich gute Aussichten, beschlossen zu werden. In der Umsetzung gibt es im Rathaus sicher praktikable Möglichkeiten, mit vorhandenen Ressourcen und vertretbarem Aufwand ein solches Verzeichnis kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Eine aufwendigere, digitale und vernetzte Lösung auf Kreisebene, die vielleicht mehr Personal erfordert, kann parallel oder später weiter verfolgt werden.
Die Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen der Bauleitplanung zeigen symptomatisch auf, dass die Verwaltung Odenthals beim Thema transparente Erfolgs-, Auswirkungs- oder Wirksamkeitkontrolle der politisch eingeleiteten, und von ihr umgesetzten Maßnahmen noch Raum zur Verbesserung hat.