Vom Wald und lauter Bäumen

Im Beitrag über die beabsichtigte Baumschutzsatzung in der Gemeinde wurde vom Medienprojekt Odenthal angeregt, selbstlose Initiativen zur Anpflanzung von heimischen Baumarten auf privaten Wohngrundstücken durch die Gemeinde zu fördern. Dies ging von der Annahme aus, dass Privatpersonen auf anderen föderalen Ebenen keinen Zugang zu Fördermitteln haben dürften.

Ein Bürger hat diese Idee aufgegriffen und die Probe gemacht. Seine persönliche Förderanfrage richtete er über das Kontaktformular der Website an das Landesministerium in Düsseldorf, das etwa für gewerbliche Betreiber von Wald- und Forstflächen die im Beitrag erwähnten 75 Millionen Euro für die Wiederbewaldung bereitstellt. Seine E-Mails mit dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen liegen der Redaktion vor. Auf der persönlichen Ebene war der Kontakt beiderseits einwandfrei und höflich. Seitens des Ministeriums fallen zudem die kurzen Reaktionszeiten positiv auf. Im Folgenden soll es also allein um die sachliche Betrachtung der Inhalte gehen.

Initiiert wurde der Kontakt mit die These des Bürgers, es gäbe „in Odenthal und Umgebung […] noch zahlreiche größere, mit Einfamilienhäusern bebaute Privatgrundstücke, deren Eigentümer*innen vielleicht bereit wären, nachhaltig einen oder mehrere Bäume darauf zu pflanzen.“ Dem schloss sich die konkrete Frage an: „Welche Förderoptionen haben solche Privatpersonen, die eine z. B. in Ihrem Wiederbewaldungskonzept empfohlene Baumart auf ihrem Privatgrundstück einzeln oder in kleinsten Stückzahlen anpflanzen könnten, also etwa einen Bergahorn?“

Die Eingabe fand schnell den Weg in das zuständige Ressort „Forstpolitik, Forsthoheit, Naturschutz im Wald“, denn kurz darauf kam die Antwort per E-Mail. „Die Förderung der Wiederbewaldung ist auf Waldflächen begrenzt. Bebaute Privatgrundstücke haben meist Gärten und diese sind kein Wald im Sinne des Landesforstgesetzes und damit nicht förderfähig“, lautete die Auskunft. Leider könne man „keine Förderoption anbieten“. Ein privater Beitrag zum Insektenschutz durch die Pflanzung von heimischen Baumarten wurde dennoch ausdrücklich begrüßt. Speziell dem Ahorn wurden Eigenschaften als gute „Bienenweide“ beigemessen.

In seiner folgenden Anmerkung per E-Mail wies der Odenthaler darauf hin, den positiven Effekt für Natur, Umwelt und Klima trotz der Beschränkung bei der Vergabe der Fördermittel nicht bestreiten zu wollen. Allerdings kam damit für ihn die Frage auf, ob die Fördermittel nicht auch „den wirtschaftlichen Schaden – und damit das unternehmerische Risiko – der gewerblichen Forstwirtschaft durch den Schädling [Anmerk.: gemeint ist der Fichtenborkenkäfer]“ sozialisieren würden. Er fragte nach, ob „mit der Gewährung der Fördermittel für die Waldbauern und Waldbäuerinnen hinsichtlich der künftigen Vermarktung des wiederaufgeforsteten Waldes zumindest Auflagen verbunden“ seien, oder „der spätere Gewinn vollumfänglich individualisiert“ würde. Sollten Auflagen fehlen, wäre aus seiner Sicht „die Förderung letzten Endes folgerichtig eine Wirtschaftsförderung, denn der selbstlos angepflanzte Ahorn in einem privaten Garten hat auf das Gemeinwohl, das Natur, Umwelt und Klima darstellen, den gleichen Effekt wie jeder einzelne geförderte Ahorn im Wald“.

Der eventuell als Anflug von bürgerlicher „Kratzbürstigkeit“ interpretierbare Diskurs, den der Odenthaler damit anbot, änderte erfreulicherweise nichts an der kurzen Wartezeit bis zur Antwort und deren Sachlichkeit. Selbstverständlich seien mit der „Gewährung der Fördermittel Auflagen verbunden und eine endgültige Abnahme der Wiederbewaldungsmaßnahmen erfolgt nach 12 Jahren.“ Und weiter: „Wurden die Auflagen nicht erfüllt, muss die Förderung zurückgezahlt werden.“ Der folgende Hinweis, dass „die Beihilfe […] von der EU notifiziert [wurde], d.h. sie stimmt mit den Wettbewerbs- und Beihilferegelungen der EU überein“, klingt dann schon ein bisschen nach Rechtfertigung, dass man die Regeln nicht gemacht habe, und alles rechtens sei. Das war bis dahin allerdings auch nicht in Zweifel gezogen worden, zumal das Sozialisieren von Verlusten und das Individualisieren von Gewinnen ja auch in zahlreichen anderen Zusammenhängen regelkonform und rechtens ist.

Abschließend erklärt das Ministerium noch: „Da ein neuangelegter Wald mehrere Jahrzehnte benötigt, bevor er Gewinne generiert, wäre es unrealistisch Geldbeträge zurückzufordern oder zu verrechnen. Auch investiert der Waldbesitz in diesen Jahrzehnten Eigenmittel. Wer will und kann das noch nachhalten und überprüfen? Die Gewinne sind natürlich zu versteuern. Insofern werden sie sicher nicht „vollumfänglich“ sozialisiert“.

Der letzte Satz lässt die Frage offen, ob das Ministerium „sozialisiert“ und „individualisiert“ nur verwechselt hat, oder ob es wirklich in der Versteuerung des Gewinns aus einem geförderten Baum eine Sozialisierung erkennen möchte.

Immerhin dürfte ein Gemeinwohlinteresse an der Wiederbewaldung unstrittig sein. In anderen Fällen der Förderung mit öffentlichen Mitteln ist das schon eher zu bezweifeln. Die versuchte Rechtfertigung der individuellen späteren Gewinne aus der geförderten Aufforstung werden dennoch nicht Alle überzeugen können. Aus den Darstellungen des Ministeriums geht hervor, dass nach zwölf Jahren eine endgültige Abnahme der Maßnahmen erfolgt. Es gibt jedoch kein Interesse, Bäume in diesem Alter zu fällen. In der Regel werden die Zuwendungen also nicht zurückgezahlt werden müssen. Danach scheint es allerdings keine weiteren Auflagen oder Kontrollen zu geben. Einer Vermarktung der Bäume steht die ursprüngliche Förderung praktisch nicht mehr im Wege. Die Eigenmittel, die bis dahin investiert wurden, fallen so oder so an. Die Versteuerung des Gewinns versteht sich hoffentlich auch von selbst, und ist von einer vorausgegangenen Förderung unabhängig. Beides ist für die Bewertung einer vermeintlichen Individualisierung demzufolge irrelevant.

Der Aspekt der Wirtschaftsförderung ist logisch schwer zu bestreiten, wenn ein geförderter Baum keines natürlichen Todes sterben sollte. Wird er irgendwann aus wirtschaftlichem Interesse gefällt und verkauft, ist der daraus resultierende Gewinn vollumfänglich individualisiert. Für einen dem gegenüberstehenden langjährigen positiven Effekt auf Natur und Klima wird Vielen die Zuwendung öffentlicher Mittel trotzdem akzeptabel erscheinen. Die Idee einer unbürokratischen Förderung privater Beiträge zur Erhöhung des Baumbestandes wird damit umso plausibler. Einen konkreten Vorschlag für Odenthal hat das Medienprojekt Odenthal bereits gemacht.