Nicht nachvollziehbar

Der Kölner Stadtanzeiger hatte in seiner Ausgabe vom 12. März 2021 berichtet, der Haupt- und Finanzausschuss habe Bürgermeister Robert Lennerts drei Tage zuvor offiziell eine Rüge im nichtöffentlichen Teil der Sitzung erteilt. Grund dafür war der Verkauf eines 40 Quadratmeter großen Grundstücks der Gemeinde. Ein kleines Grundstück mit großer Bedeutung für den Neubau eines Einfamilienhauses in Odenthal-Feld. Ohne die kleine Fläche wäre eine Erschließung des Baugrundstücks nur schwer möglich.

Der Bürgermeister hatte für den Verkauf weder die Zustimmung der zuständigen Gremien eingeholt, noch über die Höhe des Kaufpreises abstimmen lassen. Der festgelegte Wert lag zudem außerhalb seiner Zuständigkeit. Der Haupt- und Finanzausschuss genehmigte den Verkauf nachträglich am 9. März 2021, zumal der Bau des Einfamilienhauses bereits fortgeschritten war. Der Alleingang des Bürgermeisters wurde als Regelverstoß zwar objektiv festgestellt, hatte aber keine nennenswerten Konsequenzen.

Die Sache schien erledigt. Nun ist eine Facette des Bauvorhabens in Odenthal-Feld doch wieder Thema.

Rückblick: Am 3. Dezember 2020 hatte die SPD in der Sitzung des Ausschusses für Planen und Bauen eine Anfrage zu dem Projekt gestellt, das bis dahin in keiner Tagesordnung eines Gremiums aufgetaucht war. Erst Hinweise aus der Bevölkerung hatten die Politik aufmerksam gemacht. Bis dahin war das bereits fortgeschrittene Bauvorhaben auf keiner Tagesordnung eines politischen Gremiums aufgetaucht. Auch die Genehmigung der für das Siedlungsbild eher ungewöhnlichen Bauweise hatte die Verwaltung souverän erteilt.

In der Sitzung merkte ein Ausschussmitglied aus der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen an, dass nach seiner Einschätzung vor Ort landwirtschaftliche Fahrzeuge, die bis dahin über die vom Bürgermeister verkaufte Zuwegung etwa zum Mähen auf die Wiesen hinter dem Neubau gefahren waren, dort nun augenscheinlich nicht mehr vorbei passen würden. Die Verwaltung wurde deshalb gefragt, ob ein Wegerecht bestehe, und ob es beim Verkauf berücksichtigt worden sei. Sprecher der Verwaltung bestätigten ein Wegerecht im Grundbuch. Es sei auch in der Baugenehmigung dargestellt und verlaufe am Gebäude vorbei. Es handele sich abgesehen davon um eine privatrechtliche Regelung zwischen den Grundstückseigentümer*innen und den Berechtigten.

Im Ausschuss blieb es dabei. Auch später war der Punkt nicht mehr Gegenstand der Debatte.

Nun stellt sich heraus, dass Anwohner*innen in Feld nur zwei Tage nach der Rüge vom Anfang März diesen Jahres ein Schreiben aus ihrem Rathaus erhalten haben, das der Redaktion von Medienprojekt Odenthal vorliegt. In der Anlage befand sich eine vorgefertigte Einwilligungserklärung für die Abtretung von 165 Quadratmetern ihres Grundstücks entlang einer seit vielen Jahren vorhandenen Durchfahrt hinter dem Ende der Straße Feld (siehe Titelbild), das als Wendehammer dient. Die Durchfahrt führt nach Westen zu den dort liegenden landwirtschaftlichen Flächen, und ist ein Abschnitt des Wanderweges A6. Hinter der Verengung, die links und rechts von Privatgrundstücken bis auf etwa 2,70 Meter begrenzt wird, öffnet sich der Korridor wieder. Dort besteht auch die Möglichkeit, nach links auf die Flächen hinter dem Neubau zu gelangen. Der Weg ist nur wenige Meter von dem kleinen Gemeindegrundstück entfernt, das vom Bürgermeister verkauft worden war. Bis zum Bau des neuen Hauses wurde sie auch von Traktoren mit Mähwerk als Zufahrt genutzt.

Aus der Begründung des Odenthaler Bauamtes in besagtem Schreiben geht nun hervor, dass die Gemeinde die Durchfahrt verbreitern will, da sie unter 3 Meter breit, und daher „für landwirtschaftliche Fahrzeuge schlecht befahrbar sei“. Die Verwaltung möchte die Einwilligung der Kiesewetters, denen das Grundstück entlang der schmalen Durchfahrt gehört, insgesamt 165 Quadratmeter davon an die Gemeinde abzutreten.

„Wir leben seit 41 Jahren in Feld“, erklärt Horst Kiesewetter. „Der Weg war immer breit genug.“ Natürlich drängt sich auch den Kiesewetters auf, die Aktion des Rathauses hätte etwas mit dem Neubau auf der anderen Straßenseite zu tun. „Bisher sind die großen Landmaschinen immer problemlos dort auf die Wiesen gefahren, wo jetzt auf einmal vermutlich ein Haus im Weg steht. Das sollte bei den Planungen doch eigentlich bedacht worden sein.“

Doris Kiesewetter bekräftigt, es gehe ihnen nicht um die Höhe der Entschädigung, die ihnen angeboten wurde. „Entlang des Zauns stehen Sträucher und Bäume, die gefällt werden müssten. Wir haben dort zusätzlich Brut- und Nistplätze für Vögel eingerichtet.“ Ihr Mann ergänzt: „Dort treibt sich unter anderem eine Waldohreule herum. Die soll auch nicht vertrieben werden.“

Die Kiesewetters möchten nicht, dass dieser Lebensraum für Tiere und Pflanzen asphaltiert wird. Auch das Bienenhotel, das sie in diesem Bereich ihres Grundstücks gebaut und eingerichtet haben, soll nicht versetzt werden. „Wir wollen nichts von unserem Grundstück verkaufen und nichts abtreten. Das werden wir der Gemeinde so mitteilen“, haben sie sich deshalb vorgenommen. Die Frist dafür läuft am 28.7.2021 ab. „Wenn es überhaupt ein Problem gibt, wäre das mit einer entsprechend sorgfältigen Planung wohl leicht zu vermeiden gewesen. Wir lassen es auf jeden Fall jetzt nicht zu unserem machen. Warum sollten wir auch?“

Nach den eigenen Erläuterungen der Verwaltung war anzunehmen, dass die Frage, wie landwirtschaftliche Fahrzeuge nach dem Neubau weiterhin auf die entsprechenden Flächen in Odenthal-Feld gelangen, ein zwischen den betroffenen Parteien geregelter Zustand ist. Es offenbart sich also im ersten Moment nicht, welche Interessen der Allgemeinheit die Verwaltung mit ihren Plänen zur Verbreiterung des Weges verfolgt. „Das kostet die Odenthaler Steuerzahler unnötiges Geld“, findet Horst Kiesewetter.

Den Erlös für die Gemeinde aus dem Verkauf der Zuwegung des neu gebauten Einfamilienhauses hatte der Kölner Stadtanzeiger mit 5.330 Euro beziffert. Das Angebot, das die Verwaltung den Kiesewetters für die Abtretung ihrer Fläche gemacht hat, dürfte mit den anfallenden Gebühren für Grundbucheintragungen und Notar den Betrag schon so gut wie aufgezehrt haben. „Davon ist der Weg aber ja noch nicht breiter geworden“, erklärt Horst Kiesewetter. „Erst muss der Zaun mit mehreren Toren weg. Da gibt es auch noch ein paar einbetonierte Stahlträger entlang der Strecke. Das kostet. Und dann kommt ja noch irgendein Straßenbelag dazu. Insgesamt dürfte das ein Vielfaches der Entschädigung sein, die man uns angeboten hat,“ vermutet er.

Erste Nachfragen der Redaktion von Medienprojekt Odenthal bei einzelnen Mandatsträger*innen erzeugten Verwunderung. Von den Plänen der Verwaltung ist dort nichts bekannt. Dass Odenthaler Bürger*innen etwas von ihrem Eigentum für den genannten Zweck an die Gemeinde abtreten sollen, sei in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar.