Interessengemeinschaft gegen Hochwasser

Im Siedlungsbereich um die Straße Dhünner Aue in Odenthal herum hat der Starkregen und das daraus resultierende Hochwasser am 14./15. Juli 2021 in vielen Häusern Schäden angerichtet. Kirsten und Stefan Klamroth ging es in ihrem eigenen Haus in der Dhünner Aue ebenso. Unterstützt von Barbara Hollax verteilten sie in der Nachbarschaft 95 Einladungen für eine Versammlung von Betroffenen im Forum des Odenthaler Schulzentrums. Am 5. August 2021 trafen sich dann 74 Personen, um über das Hochwasser zu sprechen, das hinter ihnen liegt, aber vor allem über vergleichbare Ereignisse, die ihnen noch bevorstehen können.

Stefan Klamroth machte eingangs gleich klar, dass es an diesem Abend weder um Schuldzuweisungen gehen sollte, noch um parteipolitisches Kalkül. „Die Ereignisse vom 14. Juli bringen eine neue Erkenntnislage, auf die sachlich und entschlossen reagiert werden muss“, erklärt er die Initiative.

Kirsten Klamroth informierte die Anwesenden anschließend über Fragen, die sie im Vorfeld bereits bei der Gemeindeverwaltung, beim Wupperverband und bei anderen Stellen platziert hatte. Danach wurde die Gesprächsrunde eröffnet. „Uwe Christoph hat die Gesprächsrunde als Moderator hervorragend geleitet und zahlreiche Teilnehmer zu Beiträgen motiviert, so dass viele Ideen zusammengetragen werden konnten.“, stellt Kirsten Klamroth fest. Lob gab es dafür auch aus dem Kreis der Teilnehmer*innen. „Wir hatten schon einen Beitrag von Uwe Christoph aus seinem Medienprojekt Odenthal den Einladungsschreiben beigelegt. Wir wollten ihn für die Moderation der Veranstaltung gewinnen, weil er im Gegensatz zu uns Dreien keine parteipolitischen Zugehörigkeit hat“, meint Barbara Hollax. „Dass so eine Veranstaltung immer politisch ist, aber nicht parteipolitisch sein muss, haben wir bewiesen, denke ich“, ergänzt sie.

Neben persönlichen Erfahrungsberichten gab es viele Hinweise zu konstruktiven Lösungsansätzen. Es wurden aber auch Erwartungen deutlich formuliert. Appelle und die Erinnerung an die Verantwortung, die man auch selbst für die eigene Sicherheit habe, unterstrichen den ausgesprochen sachlichen Anspruch der Veranstalter*innen und der Gäste.

So wurde ebenfalls die Frage der Warnung der Bevölkerung angesprochen. Einige Gäste berichteten von ihren Telefonaten mit der Feuerwehr. Kirsten Klamroth hatte mit dem Kreisbrandmeister Wolfgang Weiden über seine Entscheidung gesprochen, die Sirenen in Odenthal nicht auszulösen, um die Notrufleitungen nicht durch Nachfragen zur Sirenenalarmierung aus der Bevölkerung zu überlasten. „Die Leitstelle hat über Stunden hinweg zirka ein Drittel aller Notrufe nicht annehmen können, obwohl alle 11 Abfrageplätze besetzt waren“, zitierte Kirsten Klamroth den Anwesenden aus ihrem Telefonat mit dem Gesamteinsatzleiter des Kreises.

Neben dem Krisen- und Ereignismanagement von Gemeinde und Kreis ging es aber genauso um Klimawandelvorsorge im Zusammenhang mit der Hochwasserlage von Mitte Juli.

Einzelne Bauvorhaben wie das auf der Ponywiese seien ein Faktor, der hinsichtlich seiner Wirkung bei solchen Starkregenereignissen noch einmal betrachtet werden müsse. Die bevorstehende Bebauung der Auenwiese in Osenau wäre aber keinesfalls allein verantwortlich für das Schadenspotenzial der benachbarten Siedlungen. Dennoch gehöre ein möglicher Paradigmenwechsel bei der Bauleitplanung der Gemeinde in den zuständigen politischen Gremien objektiv zur Diskussion gestellt. Es müsse vielleicht sorgfältiger betrachtet werden, welchen Einfluss einzelne Bebauungen auf die Versickerung und den Rückhalt von Starkregen konkret haben. Auch die Kanalisation als relevanter Faktor für die Schadensbegrenzung wurde im Diskurs nicht übersehen.

Und so passte es ins Bild eines sachorientierten Gesprächskreises von Bürger*innen, dass der Hinweis nicht ausblieb, bei der ganzheitlichen Betrachtung auch die Rolle des Baumbestandes zu berücksichtigen, die in den zahlreichen Hanglagen Odenthals unter anderem Erdrutsche vermeiden würden.

Zum Gesprächskreis war das Forum schon dadurch geworden, dass die Organisator*innen die auf Corona-Abstand gestellten Stühle tatsächlich im Kreis angeordnet hatten. Aber erst die Gäste sorgten mit ihrer engagierten Beteiligung dafür, dass aus dem Stuhlkreis eine konstruktive Gesprächsrunde wurde.

Für eine nachhaltige Lösung brauche es ganzheitliche Analysen und Konzepte, wurde mehrfach festgestellt. Für das gesamte Gemeindegebiet müsse detailliert erfasst werden, was passiert sei und warum. Die gesamte Wasserkette sei in ihren Zusammenhängen zu betrachten. Eine punktuelle Analyse wäre nicht ausreichend. Genauso genüge es nicht, sich auf die Dhünn zu konzentrieren. Eifgen, Scherf und andere Zuflüsse hätten nach Auffassung von Anwesenden letztlich die kritischen Pegelstände in der Dhünn verursacht, da die Dhünn selbst nur das zu ihrem Pegelstand beiträgt, was von der Großen Dhünntalsperre in sie abgegeben wird. Nach ihren Recherchen beim Wupperverband sei während des Ereignisses kein Wasser aus der Talsperre abgegeben worden, berichtete Kirsten Klamroth. Das warf im Forum die Frage auf, wie viel dramatischer die Lage noch werden könne, wenn aufgrund eventuell kritischer Füllstände der Talsperre bei künftigen Starkregenereignissen Wasser spontan in den Fluss abgelassen werden müsste.

Politische Neutralität als Erfolgsfaktor einer künftig zielführenden Politik war auch Gegenstand einiger Wortmeldungen. Befürchtungen, das Treffen könne zur parteipolitischen Positionierung in manchen Themen genutzt werden, erfüllten sich nicht, Eine Anwohnerin hatte sich vorgenommen, in dem Fall die Veranstaltung zu verlassen. Sie blieb bis zum Schluss.

Nach zwei Stunden war dann dieser erste Austausch abgeschlossen, von dem in diesem Beitrag nur einige Schlaglichter wiedergegeben sind.

Vor dem offiziellen Ende bekam das Treffen allerdings noch den Charakter der Gründungssitzung einer neuen Interessengemeinschaft für Odenthal. Der IG „Dhünnhochwasser Odenthal“ schlossen sich von den Anwesenden spontan 46 Personen als Mitglieder an. Drei Personen erklärten sich zudem bereit, das Kernteam mit Kirsten und Stefan Klamroth sowie Barbara Hollax künftig aktiv zu unterstützen.

Ihre Aufgabe wird nun zuerst sein, den vielfältigen Input der Teilnehmer*innen an der Veranstaltung zu strukturieren und dann entsprechend zu adressieren. Welche Fragen, Anregungen, Erwartungen und Erfahrungen aus diesem Teil der Odenthaler Bevölkerung müssen an welcher Stelle zuständigkeitshalber adressiert werden? „Wir erwarten eine neue Priorisierung der Gemeindepolitik in Richtung Hochwasserprävention und die Erstellung eines umfassenden Hochwasserkonzeptes“, verdeutlichen die Klamroths das Zielbild. Der Input an diesem Abend im Forum des Schulzentrums war enorm. Daraus soll das Kernteam nun zielorientierte Aktionen entwickeln. Barbara Hollax konkretisiert: „Wir werden im neu gebildeten kleinen Team die gesammelten Punkte und Fragen formulieren und sortieren. Die Ergebnisse legen wir dann den jeweils zuständigen Stellen vor, mit der Bitte um Beantwortung oder Klärung. Die Mitglieder unserer Interessengemeinschaft halten wir über den Stand der Dinge auf dem Laufenden.“

Nach den Eindrücken der ersten Zusammenkunft der neuen Interessengemeinschaft ist hier eine Gruppierung entstanden, die das Potential hat, von der Politik und den Behörden ernst genommen zu werden. Hier kann sich ein gutes Beispiel entwickeln, wie andere Teile der Bevölkerung in Odenthal oder anderen Gemeinden eigeninitiativ mit ihrer unmittelbaren Betroffenheit umgehen können. Zumindest für Odenthal scheint die IG „Dhünnhochwasser Odenthal“ aber auch eine Initiative zu sein, der sich noch weitere Betroffene aus anderen Siedlungsbereichen oder Ortsteilen der Gemeinde anschließen könnten.