Im Mai 2018 beschloss der Ausschuss für Planen und Bauen der Gemeinde Odenthal, die Änderung des Flächennutzungsplans für die sogenannte „Lange Gerade“ bei der Bezirksregierung in Köln zu beantragen. Die Genehmigung des Antrages durch die Behörde sollte am Ende dazu führen, dass aus der bis dahin landwirtschaftlich genutzten Fläche zwischen Neschen und Scheuren Wohnbauland wird. Wenig später bildete sich eine Bürgerinitiative, die sich vornahm, das zu verhindern. Nach kurzer Zeit waren ihr über hundert Personen beigetreten.
Politische Unterstützung zur Rettung der Grünfläche gab es von den Odenthaler Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und UWG. Aufgrund der in dieser Legislaturperiode absoluten Mehrheit der CDU, die den Antrag unterstützte, waren die Erfolgsprognosen für die Bürgerinitiative anfangs schlecht. Die von Bürgermeister Robert Lennerts geführte Verwaltung der Gemeinde trieb das Neubaugebiet ihrerseits voran.
Ralf Brühl, Mitgründer und Kernteammitglied der Bürgerinitiative erinnert sich: “Wir sind angetreten in dem Bewusstsein, dass hier das landschaftliche Tafelsilber von Oberodenthal auf dem Spiel stand, uns aber gegen die Mehrheit der CDU und der handelnden Personen sowie Organisationen nicht der Hauch einer Chance eingeräumt wurde“.
Mit Beharrlichkeit und intensiven Debatten in der Gemeinde, mit dem Kreis und mit der Bezirksregierung, setzten sich die Gegner*innen der Bebauung am Ende gemeinsam durch. Sie konnten zunächst verhindern, dass die formalen Voraussetzungen für das Bauvorhaben von seinen Befürworter*innen noch vor der Kommunalwahl im September 2020 geschaffen wurden. Mit den veränderten Mehrheitsverhältnissen des Anfang November neu gebildeten Gemeinderats in Odenthal wurden dann bereits am 3. Dezember die Beschlüsse gefasst, mit denen das noch laufende Bauleitplanverfahren endgültig eingestellt wurde. Auch ohne die UWG, die zur Kommunalwahl nicht mehr angetreten war, lösten SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP damit zusammen dieses Wahlversprechen ein.
Für Ralf Brühl ist das ein hart erarbeiteter Erfolg. Sein Fazit: „Es ist nicht verwerflich anderer Meinung zu sein. Mit dem richtigen Team, dem Ehrgeiz, Bundes-, Landes- und Kommunalrecht sowie Prozesse im Kontext zu bewerten und die Beteiligten damit zu konfrontieren, ist es möglich, diese andere Meinung auch durchzusetzen“.
Eine erneute politische Offensive zur Bebauung der „Langen Geraden“ müsste im gesetzlich definierten Prozess für die Bauleitplanung wieder ganz am Anfang aufsetzen. Die Beschlüsse von Ende 2020 sind entsprechend formuliert. „Inzwischen ist die Niederschrift der Ausschusssitzung vom Dezember veröffentlicht und damit offiziell, dass der „Langen Geraden“ bis auf Weiteres keine Versiegelung mehr droht“, stellt Ralf Brühl fest.
Seit Kurzem ist auch öffentlich dokumentiert, dass die Odenthaler Verwaltung wohl am 6.1.2021 der Bezirksregierung auftragsgemäß schriftlich mitteilte, dass Odenthal die ursprünglichen Beschlüsse zur Änderung des Flächennutzungsplans und für die Aufstellung eines Bebauungsplans aufgehoben hat. Mit der Einladung zur kommenden Sitzung des Ausschusses für Planen und Bauen am 4. Februar 2021 wurde die Antrags- und Beschlussdokumentation des Gremiums entsprechend aktualisiert und online gestellt. „Wir gehen davon aus, dass der Prozess damit auch bei den übergeordneten Behörden im Kreis und bei der Bezirksregierung endgültig rückabgewickelt werden kann“, kommentiert Ralf Brühl diese Tatsache.
Der Erfolg der Bürgerinitiative aus Oberodenthal ist ein Beispiel dafür, dass bürgerliches Engagement etwas verändern kann. Das betrifft nicht mehr allein die Wiese in Oberodenthal, um die es im Kern immer ging. Viele der Personen, die mit Leidenschaft für ihre Sache angetreten sind, haben dadurch eine stärkere Bindung zur Gemeinschaft und einen Zugang zur Politik bekommen. „Wir verstehen jetzt viel besser, was in unserem politischen System vor sich geht, und wie wir Teil davon sind“, fasst Ralf Brühl die beiden letzten Jahre zusammen. „Viele haben aber auch ihre persönliche Verantwortung in der politischen Landschaft erkannt. Auch wenn die „Lange Gerade“ gerettet ist – es gibt immer wieder Vorgänge in der Gemeinde, die es kritisch in der erforderlichen sachlichen und rechtlichen Tiefe zumindest zu hinterfragen gilt.“