Im Zukunftsausschuss des Rheinisch-Bergischen Kreises stand für die Sitzung am 17. Mai 2021 das „Konzept zur Förderung der Solarenergie im Rheinisch-Bergischen Kreis“ auf der Tagesordnung. Solarenergie unterteilt sich in diesem Kontext in Photovoltaik und Solarthermie. Photovoltaik erzeugt aus Sonnenenergie Strom, Solarthermie erwärmt damit in erster Linie Trinkwasser, kann aber auch eine Heizungsanlage unterstützen. Der Einsatz dieser Technologien stellt einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz dar, wenn die notwendige Energie ansonsten beispielsweise durch fossile Brennstoffe in Kraftwerken oder in Heizungskellern erzeugt worden wäre.
Für den Einsatz der klimafreundlicheren Technik sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Man braucht genug Geld, und Flächen, die idealerweise nach Süden ausgerichtet sind. Neben den Kommunen verfügen Unternehmen, landwirtschaftliche Betriebe und Institutionen, aber vor allem auch Privatleute mit Ein- und Zweifamilienhäusern über Dachflächen, die für die Installation der klimaschonenden Energieproduktion geeignet sein könnten.
Das vorgelegte Konzept stellt für den Rheinisch-Bergischen Kreis dar, dass die bestehenden Photovoltaik-Anlagen derzeit erst zirka 12 Prozent der Energie (Megawattstunden pro Jahr) erzeugen, die als Ziel des Kreises für das Jahr 2025 festgelegt sind. Da sich danach bis 2030 dieser Bedarf an produzierter Sonnenenergie verdoppelt, liegt der aktuelle Erfüllungsgrad in Bezug dazu bei etwa 6 Prozent. 100 Prozent Erfüllungsgrad wären erreicht, wenn 80 Prozent des Flächenpotentials für Photovoltaik tatsächlich mit entsprechenden Anlagen bebaut wären. Das soll bis 2030 erreicht sein. (Quelle: Konzept zur Förderung der Solarenergie im Rheinisch-Bergischen Kreis, Seite 10, PDF abgerufen von der Website des RBK am 18.5.2021).
Der erste Meilenstein liegt demnach in gerade einmal 4 Jahren vor uns. Das endgültige Ziel wird in 9 Jahren erreicht sein, zumindest zeitlich, also nicht verschiebbar. Ambitionierten Klimaschutz hatte jüngst das Bundesverfassungsgericht angemahnt. Das Medienprojekt Odenthal berichtete in einem Beitrag darüber, dass die Beschwerdeführenden vor allem geltend machten, der Staat habe keine ausreichenden Regelungen zur alsbaldigen Reduktion von Treibhausgasen, vor allem von Kohlendioxid (CO2), unternommen, die aber erforderlich seien, um die Erwärmung der Erde bei 1,5 °C oder wenigstens bei deutlich unter 2 °C anzuhalten. Damit würden hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030 verschoben. Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen, folge aber auch aus dem Grundgesetz. Sollten die notwendigen Maßnahmen bis 2030 nicht ergriffen werden oder wirken, müssten die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden, fürchteten die Einreicher*innen der Verfassungsbeschwerde. Sie sahen dadurch, dass die Zeit bis 2030 nicht effektiv zur Reduzierung der Treibhausgase genutzt wird, perspektivisch ihre Freiheitsrechte für die Zeit danach bedroht. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte mit seinem vielbeachteten Urteil, dass von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen sei, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind.
Insofern ist ein Konzept zur Förderung der Solarenergie im Rheinisch-Bergischen Kreis, das den wichtigen Zeitraum bis 2030 betrachtet, grundsätzlich absolut zeitgemäß und entspricht der Erwartung zumindest der Teile der Bevölkerung, die eine Sensibilität für den Klimawandel haben.
Das Bundesverfassungsgericht musste sich allerdings nicht mit der Thematik auseinandersetzen, weil es bisher zu wenige Konzepte gab. Die Verfassungsbeschwerde wurde eingereicht, weil die Maßnahmen und die Strategien offensichtlich eine bisher unzureichende positive Wirkung auf den Klimawandel hatten. Es darf aus Sicht der Richter*innen jedoch nicht einer Generation zugestanden werden, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde. Künftig können selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein; gerade deshalb droht dann die Gefahr, erhebliche Freiheitseinbußen hinnehmen zu müssen.
Vor diesem Hintergrund ist auch das Konzept des Kreises zu betrachten. Solarenergie ist ein wesentlicher Baustein im Klimaschutz und bei der Energiewende. Die Vermeidungspotentiale für Treibhausgase sind relevant. Die Betrachtung, ob das Papier im Sinne der Bewahrung der Freiheitsrechte nach 2030 wirksam ist, oder ob auch damit unter vergleichsweise milder Reduktionslast nur große Teile des CO2-Budgets verbraucht werden, ist wohl ratsam. Abzuwarten und 2030 festzustellen, dass etwas nicht funktioniert hat, ist – höchstrichterlich festgestellt – die falsche Strategie mit potentiell nicht nur für das Klima fatalen Folgen.
Das nun also im Jahr 2021 dem Zukunftsausschuss vorgelegte Konzept fußt auf dem Integrierten Klimaschutzkonzept für den Rheinisch-Bergischen Kreis von 2013, fortgeschrieben im Jahr 2018. Bereits im Endbericht (3. Entwurfsfassung, aufgerufen auf der Website des RBK am 19.5.2021) zu diesem Kreis-Klimaschutzkonzept wird ein Maßnahmenkatalog für den Ausbau der Solarenergie aufgestellt. Die in diesem Endbericht von Januar 2013 enthaltene Potentialanalyse für Solarenergie weist 8.166 Megawattstunden pro Jahr (Seite 142) als bereits genutztes Photovoltaik-Potential für den Kreis aus, das durch bereits in Betrieb genommene Anlagen produziert wird. Seither sind mehr als 8 Jahre vergangen. Im aktuellen Solarkonzept werden mittlerweile 37.300 Megawattstunden pro Jahr als bereits genutztes Potential ausgewiesen, die besagte 12 Prozent des anvisierten Ziels bis 2025 repräsentieren. Da der Stand der Daten auf 12/2019 lautet, rechnen wir der guten Form halber ein Jahr ab, und gehen von einer Steigerung um 29.134 Megawattstunden pro Jahr in genau 7 Jahren seit Januar 2013 aus.
Mit einfachem Dreisatz auf die bisherige Performance der Jahre 2013 bis 2020 hochgerechnet, wird das Ziel, das sich der Kreis für 2025 gesetzt hat, nämlich 310.400 Megawattstunden pro Jahr mit Photovoltaik zu erzeugen, tatsächlich allerdings etwa Mitte 2085 erreicht, also statt in 4 Jahren dann in etwas mehr als 64 Jahren. In ungefähr 140 Jahren statt in 9 Jahren dann, etwa um das Jahr 2160 herum, werden die 620.800 Megawattstunden pro Jahr erzeugt werden, die man sich für 2030 vorgenommen hat.
Es gibt infolgedessen zwei Möglichkeiten: Entweder die Performance stimmt nicht, oder die Rechnung. Sollten die notwendigen Überprüfungen der Berechnung ergeben, dass doch die Performance nicht zu den Zielen passt, müsste das vorgelegte Konzept schon klar erkennen lassen, mit welchen Maßnahmen sich die Schlagzahl in dieser kurzen Zeit derart erhöhen lassen könnte. Dazu mögen sich Interessierte selbst einen Eindruck verschaffen.
Wenig ehrgeizig erscheint zum Beispiel vor diesem Hintergrund, dass die befragten Vertreter der Kommunen zur Zielerreichung „in erster Linie viel Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit in Form von langfristig angelegten Solar- bzw. Klimaschutzkampagnen auf kommunaler und Kreisebene mit einheitlicher Vorgehensweise“ sehen. Das war bereits im Integrierten Klimaschutzkonzept von 2013 wenig überzeugend. 8 Jahre später, nachdem fast die Hälfte der Zeit bis 2030 verstrichen ist, muss es wohl als völlig unzureichend erachtet werden. „Die Ziele der Kampagnen sollten klar und transparent dargestellt sein. Maßnahmen der Kampagnen sollten von einer umfangreichen Öffentlichkeitsarbeit, Informationsveranstaltung (Vor-Ort und digital) oder auch Beratungsangeboten, begleitet sein“, klingt auch nicht wirksamer. Natürlich müssen in der Verwaltung dafür erst einmal zusätzliche Stellen geschaffen, und weitere finanzielle Mittel bereitgestellt werden.
Der Hinweis im Konzept von 2021, „die Festlegung von Leitlinien zur Solarenergienutzung in der kommunalen Bauleitplanung für Neubauten im Allgemeinen und bei städtischen Gebäudesanierungen im Speziellen würde ebenfalls die Solarenergiepotenziale regional nutzbar machen“, stand gleichfalls 2013 bereits im Konzept, zum Beispiel auf Seite 85: „Um diese Anteile am Gesamtenergieverbrauch zu erreichen, ist eine integrierte Strategie notwendig. So sollte das Thema „Solarenergie“ gemeinsam mit „Energieeffizienz“ und weiteren erneuerbaren Energieträgern […] in die Entscheidungsprozesse der Bauleitplanung sowie der kommunalen und kreisweiten Entwicklungsplanungen eingebunden werden. Neubau und Sanierung sollten die Elemente der solaren Bauweise verinnerlichen.“
Die Gemeinde Odenthal zeigt bisher wenig Engagement, ihre bauleitplanerische Souveränität bei Neubauvorhaben für die Förderung der Solarenergie zu nutzen. Betrachtet man hierzu exemplarisch das größte Projekt der Gemeinde, die Bebauung der Ponywiese (Dhünner Wiese), finden sich an den relevanten Punkten des Verfahrens keine Hinweise für ein entsprechendes Interesse. Bereits in der Ausschreibung des Grundstückes im Jahr 2018 formulierte die Gemeinde 11 Mindestkriterien für die Bieterkonzepte zur Bebauung. Die Produktion von Solarenergie war nicht darunter. Im späteren städtebaulichen Vertrag mit dem Investor aus dem Jahr 2020, einer anderen guten Gelegenheit zur Förderung der Solarenergie, stellt die Gemeinde ebenfalls keine diesbezüglichen Forderungen, genauso wenig im Bebauungsplan.
Im Konzept 2021 wird Photovoltaik auf allen geeigneten öffentlichen Gebäuden gefordert: „Ziel dieser Maßnahme ist es, auf allen geeigneten Dachflächen der öffentlichen Liegenschaften PV-Anlagen zu installieren. Diese Maßnahme hat Vorbildcharakter und soll zeigen, dass die Verwaltungen mit gutem Beispiel vorangehen. Die Wirtschaftlichkeit sollte bei dieser Maßnahme nicht im Vordergrund stehen, ist jedoch aufgrund eines hohen Eigenstromnutzungsgrades höchstwahrscheinlich gewährleistet.“ Im Haushalt Odenthals für 2021 sind keine Mittel explizit für Solaranlagen auf den Dächern von Gebäuden der Gemeinde eingestellt. Um die Kosten für die energetische Sanierung eines eigenen Mehrfamilienhaus in der Sankt-Engelbert-Straße zu vermeiden, sucht die Gemeinde für die Liegenschaft lieber einen Investor, der das Haus voraussichtlich 2022 abreißt und neu baut.
Man fragt sich generell, worin 2021 der konzeptionelle Durchbruch besteht, der das 8 Jahre lange Warten gelohnt hätte. Auch im Basiskonzept von 2013 standen bereits viele der nun wiederholten Strategien. Die nun weiter ausdetaillierten Maßnahmen und Lösungen vermitteln kaum den Eindruck neuer Erkenntnisse, die vor 8 Jahren noch nicht vorgelegen hätten.
Überhaupt geht es letztlich nur um eine simple Sache: Möglichst viel Fläche für möglichst viele Module und Kollektoren zu erschließen. Um das zu tun, muss bei den Eigentümer*innen der Flächen mit finanziellen Anreizen die entsprechende Bereitschaft erzeugt werden, zu investieren.
Das klappt bei Unternehmen und den Kommunen dann gut, wenn Förderquoten von 70 oder 80 Prozent und mehr die Investitionsbereitschaft beflügeln. Vorher rührt sich in der Regel wenig. Auch in Odenthal werden viele politische Entscheidungen von der Verfügbarkeit von Fördermitteln in dieser Größenordnung beeinflusst, oft gefolgt von einer politischen „jetzt-oder-nie“-Position. Nun scheint man sich erst einmal darauf beschränken zu wollen, die Bürger*innen mit Wohneigentum für Investitionen zu gewinnen, am besten ohne Förderung. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass auf 65 Seiten Solarkonzept nicht ein einziges Mal die Regionale 2025 Agentur GmbH als potentieller Fördermittelbeschaffer für die privaten Klimaschützer*innen ins Spiel gebracht wird. Landrat Stephan Santelmann als Mitgesellschafter dieser Institution kann ihre Rolle sonst kaum genug loben. An der Förderung der Solarenergie auf privaten Hausdächern mit öffentlichen Mitteln gibt es aber wohl kein Interesse. Der Feldahorn lässt grüßen.
Dabei wäre das doch so einfach wie sonst auch bei den zahlreichen Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepten (ISEK) mit unterschiedlich nützlichen Einzelprojekten: Private Hauseigentümer*innen lassen eine Photovoltaik-Anlage für ihr Dach planen. Wenn der Plan umgesetzt wird, werden 80 Prozent der Planungskosten übernommen. Die Kosten der Anlage und deren Montage wird ebenfalls mit 80 Prozent der Investitionssumme gefördert. Genauso oder so ähnlich läuft es regelmäßig, wenn die Gemeinde Odenthal die Sankt-Engelbert-Straße saniert, den Prinzenblick neu anlegt, oder den Tourismus in Altenberg für die ortsansässige Gastronomie ankurbelt. Es ist nicht zu verstehen, warum das Verfahren nicht für tatsächlich gegen den Klimawandel wirksame Maßnahmen auf private Projektträger*innen anwendbar sein soll. Man darf gespannt sein, ob der Kreis, die Bezirksregierung, das Land und der Bund bei der Vergabe der Mittel für Solarenergieprojekte an Private, an Gewerbetreibende, an Institutionen und an die Kommunen dieses Mal das Gleichbehandlungsprinzip anwenden.
Das vorgelegte Konzept beinhaltet eine vielsagende Auswertung von „Experteninterviews“, die mit 45 Personen aus den Akteursgruppen und mit Fachexperten geführt wurden. Obwohl laut der Zahlen im Konzept dreiviertel der Leistung in Kilowatt-Peak (kWP), zweidrittel der Fläche (in Hektar), dreiviertel des Energie-Ertrages (in Gigawattstunden pro Jahr) und nicht zuletzt dreiviertel der vermeidbaren Treibhausgase der noch installierbaren Modulpotentiale für Photovoltaik im Konzept den Wohngebäuden zugerechnet werden, fehlt – wie so oft – eine Akteursgruppe bei der Befragung: die privaten Eigentümer*innen. Natürlich sind Wohngebäude nicht nur selbstgenutzte Ein- und Zweifamilienhäuser. In Odenthal und in anderen Städten und Gemeinden des Rheinisch-Bergischen Kreises dürften sie allerdings den weit überwiegenden Teil des Potentials ausmachen, das bis 2025, beziehungsweise bis 2030 noch aktiviert werden muss – oder dann vielleicht doch eher im 22. Jahrhundert.
In der ganzheitlichen Betrachtung, und bei subjektiver Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit der Zielerreichung, wirkt das Konzept zur Förderung der Solarenergie im Rheinisch-Bergischen Kreis von 2021 bis zum Beweis des Gegenteils leider nicht beruhigend. Und auch in diesem Fall, wie bei dem vor dem Bundesverfassungsgericht kritisierten Klimaschutzgesetz, bleibt offen, was nach 2030 geschieht, wenn die Ziele verfehlt werden. Es handelt sich demnach mutmaßlich um ein weiteres Indiz dafür, dass die Befürchtungen der Personen, die sich mit ihren Bedenken an das höchste Gericht wandten, berechtigt sein dürften.